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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Editor]; Melville, Gert [Editor]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0194
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190 I Annette Kehnel

Die frühen Chroniken der Mendikanten bieten dazu eine Reihe überaus auf-
schlussreicher Hinweise. Es lassen sich kommunikative Standardsituationen im
Konvent identifizieren, die hier nur kurz in Erinnerung gerufen werden sollen.24
1. Kommunikation beim gemeinsamen Essen. Anders als im Kloster wird im
Konvent beim Essen nicht notwendigerweise geschwiegen. Im dritten Kapitel
der Augustinusregel, der die Dominikaner folgten, wird im Hinblick auf die
gemeinsamen Mahlzeiten betont, dass die Lesung bei Tisch ohne Lärmen und
Streiten anzuhören sei. Die Regel des Franziskus enthält keine Bestimmungen
zum Verhalten beim Essen. Es scheint, als ob nur in Ausnahmefällen Schweigen
bei Tisch verordnet wurde, wie etwa unter Albert von Pisa, der zweite Provinz-
minister in England, der Tischgespräche unterbinden wollte und nur dann er-
laubte, wenn Brüder aus dem Dominikanerorden zu Gast waren.
2. Kommunikation mit Gästen. In den Texten zur frühen Geschichte der Bet-
telorden und vor allem auch in den Exempelsammlungen finden wir immer
wieder Erwähnung von Reden und Gesprächen bei Tisch, aus denen deutlich
wird, dass regelmäßig Gäste und ortsfremde Brüder anwesend waren. Eine
weitere aufschlussreiche Episode überliefert Thomas von Eccleston in seiner
Chronik der Franziskaner in England: ein Guardian saß am Abend, nachdem
er den ganzen Tag zum Volk gepredigt hatte, mit seinen Brüdern beim Abend-
essen. Erschöpft vom Predigen begann er nach der Mahlzeit mit den anderen zu
reden und zu scherzen, irritierte jedoch mit seinen Witzen einen ebenfalls an-
wesenden Gast - kein Bettelbruder -, der sich über das unheilige Verhalten
diese heiligen Mannes sehr empörte.
Die Anwesenheit von Gästen, auch dies geht aus den Schilderungen des Bru-
der Thomas deutlich hervor, hatte eine katalytische Wirkung für die Zirkulation
von Geschichten im Konvent. Gäste bieten Anlass zum Erzählen. Die Anwe-
senheit auswärtiger Brüder, die einerseits Fremde, andererseits durch die ge-
meinsame Mitgliedschaft im Orden immer auch Freunde waren, motivierte das
Gespräch. Häufig werden „prominente“ Brüder erwähnt, die in der Welt her-
umgekommen waren, und als Gäste in den Konventen ihre Erfahrungen und
Erlebnisse zum Besten gaben.
Bruder Salimbene de Adam bietet für den Konvent als Kommunikationsmo-
tor reiches Anschauungsmaterial. Am bekanntesten sind die bereits erwähnten
Ausführungen Sahmbenes über die europäischen Weinbaugebiete der Zeit.
Salimbene macht den Leser darauf aufmerksam, dass er dieses Wissen als Gast
24 Vgl. dazu ausführlich mit Belegstellen Kehnel, Der mendikantische Konvent (wie Anm. 13),
S. 194-211.
 
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