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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0209
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Die deutschsprachige Predigt der Hirsauer Reform I 205

nicht anständig genährt und gekleidet würden. Darüber hinaus obliege es dem
Abt, ihnen selbst die Beichte abzunehmen oder einen Priester hiermit zu beauf-
tragen, der sie auch lehren solle, gut und gerecht zu leben, damit sie nicht einen
Lebenswandel annähmen, der ihren Seelen schadete.17
Hiermit nennen die ,Acta Murensia‘ zwei Gruppen von ilhterati, für deren
cura der Konvent verantwortlich ist: die fratres exteriores und die Dienstleute
des Klosters. Es besteht kein Zweifel daran, dass die cura für ilhterati auf Deutsch
erfolgen musste. Im Gegensatz zu den Ländern der Romania war es nicht mög-
lich, theologische Begriffe und katechetische Unterweisung einfach aus der la-
teinischen Sakralsprache als Lehnwörter in die Volkssprache zu exportieren.18
Es bedurfte einer durchdachten und konsequenten Übersetzungs- bzw. Über-
tragungsarbeit. Diese Leistung mochte vielleicht von einem gebildeten Abt ad
hoc erbracht werden können, wenn er im Kapitel über die Ordensregel oder den
Evangeliumstext des Tages predigte19. Doch mit der anwachsenden Zahl von
ilhterati im Kloster und in seiner unmittelbaren Umgebung dürfte auch die
Notwendigkeit entstanden sein, Hilfen für andere, weniger gebildete Seelsorger
zu erstellen, die mit der cura der Ungelehrten beauftragt wurden. Wie wir
wissen, gab es auch unter den monachi derlei illiterate.
Seelsorgehilfen, die unzweifelhaft für die cura der ilhterati bereitgestellt
wurden, müssen wir im Bereich der dimensionalen Seelsorge suchen, in volks-
17 Ebd.,S. 61.
18 Hierzu vgl. Regina D. Schiewer, Das geistliche Schrifttum von den Anfängen bis zum Be-
ginn des 14. Jahrhunderts. Einleitung zu: Wolfgang Achnitz (Hg.), Deutsches Literatur-
Lexikon. Das Mittelalter. Autoren und Werke nach Themenkreisen und Gattungen. Bd. 1:
Das geistliche Schrifttum von den Anfängen bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts, Berlin/
New York 2011, S. X-XXIII: „Die Sprachbarriere zwischen der lateinischen theologischen
Literatur und ihren deutschsprachigen Rezipienten hatte Notker die Notwendigkeit für
Glossierungen und Kommentare in der Volkssprache erkennen lassen. In den Ländern der
Romania bestand diese Sprachbarriere nicht in vergleichbarem Maße. Dies muss als Grund
dafür angenommen werden, dass das Deutsche in Zukunft eine weit reichere geistliche Lite-
ratur entwickeln wird als jede andere europäische Volkssprache.“ Darauf, dass die Übertra-
gung in die Volkssprache auch im französischen Sprachraum Schwierigkeiten bereitete, weist
Larissa Taylor hin: „The earliest extant sermon in French is a Sermon sur Jonas preached at
the abbey of Saint-Amand-les-Eaux around 950. Here the tensions caused by the necessity of
translation are apparent, for [...] the author seems incapable of writing one complete sentence
in French.“ (Larissa Taylor, French Sermons, 1215-1535, in: Beverly Mayne Kienzle [Hg.],
The Sermon [Typologie des sources du Moyen Äge Occidental 81-83], Turnhout 2000, S. 711—
758, Bibliographie S. 99-104).
19 Constitutiones Hirsaugienses (wie Anm. 13), Bd. 1, S. 41; Ulrich Faust geht unreflektiert
davon aus, dass die Predigten Gottfrieds und Irimberts von Admont im Kapitel in lateini-
scher Sprache gehalten wurden (Ulrich Faust, Admonts Rezeption der Hirsauer Reform.
Benediktinische Spiritualität des 12. Jahrhunderts, in: Studien und Mitteilungen zur Ge-
schichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 124, 2013, S. 127-140, hier S. 137f.).
 
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