Die deutschsprachige Predigt der Hirsauer Reform I 217
3. Für den zweiten Überlieferungskomplex, den des ,Priesters KonracF, könn-
ten tatsächlich, wie Volker Mertens angenommen hatte, die Augustinerchor-
herren verantwortlich zeichnen. Die Augustinerchorherren sind seit der Mitte
des 12. Jahrhunderts zweifelsohne eine religiöse Gemeinschaft, die sich intensiv
um die cm monialium bemühte. Das erste Augustinerstift, das im deutschspra-
chigen Raum entstand, war das 1073 gegründete Stift Rottenbuch in Oberbay-
ern, welches sowohl Frauen als auch Männer beheimatete. Die Augustinerchor-
herren waren wie die Hirsauer Parteigänger der gregorianischen Reformen, und
Rottenbuch entwickelte sich zu einem Reformzentrum, das in engem Kontakt
zu den Reformzentren der Hirsauer stand. Beide - Augustinerchorherren wie
Hirsauer - inkorporierten bereits bestehende religiöse Gemeinschaften von
Frauen und setzten die Klausur für diese Gemeinschaften durch. Es spricht also
nichts dagegen, bei der deutschsprachigen Predigt des 12. Jahrhunderts auch an
die cura monialium der Augustiner zu denken.
4. Die cura monialium ist das Stichwort für eine dritte religiöse Gemeinschaft,
die sich um Seelsorge in der Volkssprache bemühte, noch bevor die Bettelorden
in diesem Seelsorgefeld tätig wurden: die Zisterzienser. In ihrem Umkreis ent-
stand im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts die Primärsammlung der
,St. Georgener Predigten. Während die Frühe deutsche Predigt weitgehend ziel-
gruppenoffen konzipiert wurde, sind die ,St. Georgener Predigtet das früheste
Zeugnis einer zielgruppenorientierten Seelsorge für klausurierte Frauen.
Klaus Schreiner stellte am Schluss seiner Darstellung zur Hirsauer Reform
etwas resignativ fest, Hirsau habe früh seine Ausstrahlungskraft verloren: „Das
reformerische Wirken Hirsaus und der Hirsauer blieb zeitlich begrenzt.“61 Für
im weitesten Sinne in den Kreis der Liturgika einzuordnen ist: Heinzer spricht von einer
„Grundausstattung von Neugründungen bzw. erneuerten Klöstern mit den notwendigen
Texten.“ Hierzu zählen für ihn neben den Liturgika die ,Constitutiones‘ Wilhelms von Hir-
sau (Heinzer, Buchkultur und Bibliotheksgeschichte Hirsaus [wie Anm. 31], S. 93). Vermut-
lich darf für die volkssprachlichen Predigtbücher derselbe Überlieferungsweg angenommen
werden. Auch die Parallelüberlieferungen von Predigten, die sich sowohl in Sammlungen des
süddeutschen Raumes als auch des mitteldeutschen Raumes finden, ließen sich hierdurch
erklären, wie die bereits genannte ,Reinhardsbrunner Briefsammlung“ deutlich macht: „Den
Export von liturgischen Handschriften in oft weit entfernte Tochterklöster belegt z. B. eine
Stelle aus dem sog. Reinhardsbrunner Briefbuch, wo von einem Antiphonar die Rede ist,
welches in Hirsau für das thüringische Kloster geschrieben und korrigiert wurde und an-
scheinend über das Hirsauer Priorat Schönrein a. M. nach Reinhardsbrunn gelangte.“ (Hein-
zer, Buchkultur und Bibliotheksgeschichte Hirsaus [wie Anm. 31], S. 93 mit Verweis auf die
betreffende Stelle im Briefbuch in: Friedel Peek [Hg.], Die Reinhardsbrunner Briefsamm-
lung, Weimar 1952 [MGH Epist. Sei. V, Nr. 50].)
61 Klaus Schreiner, Hirsau und die Hirsauer Reform (wie Anm. 30) hier S. 203f.; Schreiner
beklagt in seinen „Abschließenden Erwägungen“: „Weder in der Sakralarchitektur noch im
3. Für den zweiten Überlieferungskomplex, den des ,Priesters KonracF, könn-
ten tatsächlich, wie Volker Mertens angenommen hatte, die Augustinerchor-
herren verantwortlich zeichnen. Die Augustinerchorherren sind seit der Mitte
des 12. Jahrhunderts zweifelsohne eine religiöse Gemeinschaft, die sich intensiv
um die cm monialium bemühte. Das erste Augustinerstift, das im deutschspra-
chigen Raum entstand, war das 1073 gegründete Stift Rottenbuch in Oberbay-
ern, welches sowohl Frauen als auch Männer beheimatete. Die Augustinerchor-
herren waren wie die Hirsauer Parteigänger der gregorianischen Reformen, und
Rottenbuch entwickelte sich zu einem Reformzentrum, das in engem Kontakt
zu den Reformzentren der Hirsauer stand. Beide - Augustinerchorherren wie
Hirsauer - inkorporierten bereits bestehende religiöse Gemeinschaften von
Frauen und setzten die Klausur für diese Gemeinschaften durch. Es spricht also
nichts dagegen, bei der deutschsprachigen Predigt des 12. Jahrhunderts auch an
die cura monialium der Augustiner zu denken.
4. Die cura monialium ist das Stichwort für eine dritte religiöse Gemeinschaft,
die sich um Seelsorge in der Volkssprache bemühte, noch bevor die Bettelorden
in diesem Seelsorgefeld tätig wurden: die Zisterzienser. In ihrem Umkreis ent-
stand im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts die Primärsammlung der
,St. Georgener Predigten. Während die Frühe deutsche Predigt weitgehend ziel-
gruppenoffen konzipiert wurde, sind die ,St. Georgener Predigtet das früheste
Zeugnis einer zielgruppenorientierten Seelsorge für klausurierte Frauen.
Klaus Schreiner stellte am Schluss seiner Darstellung zur Hirsauer Reform
etwas resignativ fest, Hirsau habe früh seine Ausstrahlungskraft verloren: „Das
reformerische Wirken Hirsaus und der Hirsauer blieb zeitlich begrenzt.“61 Für
im weitesten Sinne in den Kreis der Liturgika einzuordnen ist: Heinzer spricht von einer
„Grundausstattung von Neugründungen bzw. erneuerten Klöstern mit den notwendigen
Texten.“ Hierzu zählen für ihn neben den Liturgika die ,Constitutiones‘ Wilhelms von Hir-
sau (Heinzer, Buchkultur und Bibliotheksgeschichte Hirsaus [wie Anm. 31], S. 93). Vermut-
lich darf für die volkssprachlichen Predigtbücher derselbe Überlieferungsweg angenommen
werden. Auch die Parallelüberlieferungen von Predigten, die sich sowohl in Sammlungen des
süddeutschen Raumes als auch des mitteldeutschen Raumes finden, ließen sich hierdurch
erklären, wie die bereits genannte ,Reinhardsbrunner Briefsammlung“ deutlich macht: „Den
Export von liturgischen Handschriften in oft weit entfernte Tochterklöster belegt z. B. eine
Stelle aus dem sog. Reinhardsbrunner Briefbuch, wo von einem Antiphonar die Rede ist,
welches in Hirsau für das thüringische Kloster geschrieben und korrigiert wurde und an-
scheinend über das Hirsauer Priorat Schönrein a. M. nach Reinhardsbrunn gelangte.“ (Hein-
zer, Buchkultur und Bibliotheksgeschichte Hirsaus [wie Anm. 31], S. 93 mit Verweis auf die
betreffende Stelle im Briefbuch in: Friedel Peek [Hg.], Die Reinhardsbrunner Briefsamm-
lung, Weimar 1952 [MGH Epist. Sei. V, Nr. 50].)
61 Klaus Schreiner, Hirsau und die Hirsauer Reform (wie Anm. 30) hier S. 203f.; Schreiner
beklagt in seinen „Abschließenden Erwägungen“: „Weder in der Sakralarchitektur noch im