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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Editor]; Melville, Gert [Editor]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0242
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238 I Jean-Claude Schmitt

Hierarchie von Mullahs und Ayatollahs ein Klerus existiert, so kann doch von
Mönchen oder Kanonikern keine Rede sein. Im Christentum hingegen geht die
Unterscheidung des Klerus, dessen hierarchische Struktur der souveränen
Autorität des Papstes unterliegt, auf die ersten Jahrhunderte zurück, bevor sie
im 11. Jahrhundert ihren ideologischen Ausdruck im Schema der drei Stände
(tres ordines) fand, das von oben nach unten oratores, bellatores und laboratores
differenziert und damit eine Hierarchie etabliert.
Daher sei daran erinnert, dass die erste Funktion der oratores darin besteht,
zu „beten“; nach Jakob von Vitrys Worten sind sie die „Prediger“ bzw. „Enthalt-
samen“, im Gegensatz zu den „Eheleuten“ (conjugati), also den Laien (Kapitel
XXXIV). Die Grenzen der Welt der Regularen sind fließend und flexibel, von
den Einsiedlern und Zönobiten der Ursprünge bis hin zu den Bettelorden, über
die „schwarzen“ und die „weißen Mönche“ oder die Regularkanoniker, die sich
nur teilweise von den Säkularkanonikern unterscheiden. Die Einheit und Viel-
falt „der Orden, die es in der Kirche gibt“, kennzeichnen das Christentum als
ein soziales wie auch religiöses System. Zum Vergleich: Buddhismus oder Hin-
duismus kennen eine sehr große Anzahl von „Mönchen“, haben aber keinen
weltlichen Klerus; es sind die Mönche, die die Verantwortung für Gebet, Erzie-
hung und Fürsorge übernehmen. Im Gegensatz hierzu ist die Unterscheidung
zwischen Mönchen und Klerikern in der Kirche wesentlich: Dies zeigt sich im
Umkehrschluss daran, dass die protestantische Reformation die Klöster abge-
schafft und gleichzeitig ein gewisses Maß an kirchlicher Organisation beibehal-
ten hat, auch wenn protestantische Pastoren nicht die sakramentale Würde ka-
tholischer Priester haben.
Eine weitere Vergleichsachse ermöglicht es auch, die lateinisch-christliche
Tradition (seit der Reformation „katholisch“ genannt) vom östlichen griechi-
schen oder orthodoxen Christentum zu unterscheiden-. Das Mönchtum wurde
im Osten, in der „Wüste“ Palästinas, Syriens und Ägyptens geboren, nahm aber
eine eigenständige Entwicklung, als es dank ,Botschaftern wie Johannes Cas-
sian in den Westen ,übertragen‘ wurde, der zu Beginn des 5. Jahrhunderts von
Ägypten nach Konstantinopel, dann nach Rom und schließlich Marseille kam;
wir wissen, welch starken Einfluss seine Einrichtung der Klöster (417-418) und
seine Unterredungen (420) in der lateinisch-christlichen Welt hatten. Die mo-
nastischen Regeln des Pachomius und Basilius (4. Jahrhundert) inspirierten
auf gleiche Weise die lateinischen Mönchsregeln, wie die des Magisters und
5 Der genaue Vergleich der verschiedenen Formen des Mönchtums, nicht nur innerhalb des
Christentums, sondern auch zwischen ihm und anderen religiösen Systemen, muss noch vor-
genommen werden. Dies wird von Alain Boureau, „Monachisme“, in: Regine AzRiA/Dani-
ele Hervieu-Leger, Dictionnaire des faits religieux, Paris 2010, S. 749-754, betont.
 
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