282 I Matthias M. Tischler
handelt es sich nur um eine rechtliche Verfestigung einer schon länger bestehen-
den liturgischen Tradition, als Odilos Nachfolger Hugo von Cluny während der
Kämpfe gegen die Almoraviden (1090-1093) Statuten niederschrieb, in denen
eine Regelung festlegt, dass in Cluny und allen seinen Prioraten speziell für
Alfons VI. von Kastilien-Leon täglich zur Terz der Psalm 19 (20) gesungen wer-
den solle, jener als kriegerisch empfundene Psalm also, in dem die Hoffnung auf
Befreiung zum Ausdruck kommt und der endgültige Sieg über die Glaubens-
feinde mit Gottes Hilfe verkündet wird.20
Bedurfte es in Cluny sicher einiger Zeit, um diese traditionelle Form der nach
innen gewendeten liturgischen Identitätsstiftung als eine unangemessene Ausei-
nandersetzungsform mit dem Islam zu erkennen, so erwiesen sich die traditio-
nellen Methoden einer erstmals nach Nordspanien gerichteten Mission zur Zeit
Abt Hugos von Cluny sofort als erfolglos, deckten sie doch die weiterhin fehlen-
den sprachlichen und theologischen Voraussetzungen zu einer inhaltlichen Aus-
einandersetzung mit dieser Religion unmittelbar auf. Zwischen 1074 und 1078
lädt Papst Gregor VII. Abt Hugo von Cluny dazu ein, Missionare zum muslimi-
schen Herrscher von Zaragoza zu schicken. Auf Weisung des Papstes und nach
dreimaliger Ermutigung durch den Abt Hugo bricht der schon seit einiger Zeit
in bzw. bei Cluny lebende Eremit Anastasius (fum 1085)21 im Jahr 1074 zu sei-
ner Missionsreise zu dem muslimischen Kleinkönig von Zaragoza, al-Muqtadir
bi-'lläh (1046-1082), auf. Die spätere Lebensbeschreibung des Anastasius aus
dem 12. Jahrhundert erwähnt als dessen probate Missionsmethoden neben der
Predigt die Feier der hl. Messe und die Feuerprobe. Das Schütteln des Staubes
perducat ... Pacem et victoriam atque perpetuam vitam ut Dominus vobis concedat, tota
nostra fraternitas et optat et orat“, Migne, Patrologia Latina 142, Sp. 942 Z. 32-36, 42-49 und
57-59; vgl. Henriet, La politique monastique (wie Anm. 17), S. 115 mit Anm. 67, S. 116 mit
Anm. 72 und S. 117 mit Anm. 79.
20 Hugo von Cluny, Statuta,-. „Praeterea dedimus ei in vita sua unum psalmuni, id est ,Exaudiat
te Dominus', ad horam tertiam sine intermissione canendum“, hg. von Herbert E. J.
Cowdrey, Two studies in Cluniac history 1049-1126, in: Studi Gregoriani 11, 1978, S. 5-298,
hier S. 159 Z. 17f. Auf diese Regelung geht nicht ein Henriet, La politique monastique (wie
Anm. 17), der daher verkennt, dass die älteren, bereits unter Abt Odilo versprochenen litur-
gischen Gebetsleistungen Clunys mit dem Kampf der christlichen Könige von Aragon und
Navarra gegen die Muslime auf der Iberischen Halbinsel Zusammenhängen, obwohl er be-
reits auf die in diesem Zusammenhang an Cluny ergehenden Geldzahlungen verweist: eben-
da, S. 119 mit Anm. 89f.
21 Gualterus, Vita S. Anastasii § 4: „Cumque per aliquot dies de vita et conversatione Clunia-
censium fratrum abbas multum referret, virum Dei monuit, et multum rogavit, ut Cluniacum
secum adiret, ubi et votum suum complere posset, et exemplum bonae conversationis caeteris
fratribus daret. Cujus petitioni vir Dei Anastasius acquiescens, cum eo iter arripuit“, Migne,
Patrologia Latina 149, Sp. 425-432, hier Sp. 428 Z. 33-39. Zu dieser Vita vgl. jetzt Scott G.
Bruce, 7. The ,Life‘ of Anastasius of Cluny, monk and hermit, in: Alex J. Novikoff (Hg.),
The twelfth-century Renaissance. A reader, Toronto 2017, S. 32-40.
handelt es sich nur um eine rechtliche Verfestigung einer schon länger bestehen-
den liturgischen Tradition, als Odilos Nachfolger Hugo von Cluny während der
Kämpfe gegen die Almoraviden (1090-1093) Statuten niederschrieb, in denen
eine Regelung festlegt, dass in Cluny und allen seinen Prioraten speziell für
Alfons VI. von Kastilien-Leon täglich zur Terz der Psalm 19 (20) gesungen wer-
den solle, jener als kriegerisch empfundene Psalm also, in dem die Hoffnung auf
Befreiung zum Ausdruck kommt und der endgültige Sieg über die Glaubens-
feinde mit Gottes Hilfe verkündet wird.20
Bedurfte es in Cluny sicher einiger Zeit, um diese traditionelle Form der nach
innen gewendeten liturgischen Identitätsstiftung als eine unangemessene Ausei-
nandersetzungsform mit dem Islam zu erkennen, so erwiesen sich die traditio-
nellen Methoden einer erstmals nach Nordspanien gerichteten Mission zur Zeit
Abt Hugos von Cluny sofort als erfolglos, deckten sie doch die weiterhin fehlen-
den sprachlichen und theologischen Voraussetzungen zu einer inhaltlichen Aus-
einandersetzung mit dieser Religion unmittelbar auf. Zwischen 1074 und 1078
lädt Papst Gregor VII. Abt Hugo von Cluny dazu ein, Missionare zum muslimi-
schen Herrscher von Zaragoza zu schicken. Auf Weisung des Papstes und nach
dreimaliger Ermutigung durch den Abt Hugo bricht der schon seit einiger Zeit
in bzw. bei Cluny lebende Eremit Anastasius (fum 1085)21 im Jahr 1074 zu sei-
ner Missionsreise zu dem muslimischen Kleinkönig von Zaragoza, al-Muqtadir
bi-'lläh (1046-1082), auf. Die spätere Lebensbeschreibung des Anastasius aus
dem 12. Jahrhundert erwähnt als dessen probate Missionsmethoden neben der
Predigt die Feier der hl. Messe und die Feuerprobe. Das Schütteln des Staubes
perducat ... Pacem et victoriam atque perpetuam vitam ut Dominus vobis concedat, tota
nostra fraternitas et optat et orat“, Migne, Patrologia Latina 142, Sp. 942 Z. 32-36, 42-49 und
57-59; vgl. Henriet, La politique monastique (wie Anm. 17), S. 115 mit Anm. 67, S. 116 mit
Anm. 72 und S. 117 mit Anm. 79.
20 Hugo von Cluny, Statuta,-. „Praeterea dedimus ei in vita sua unum psalmuni, id est ,Exaudiat
te Dominus', ad horam tertiam sine intermissione canendum“, hg. von Herbert E. J.
Cowdrey, Two studies in Cluniac history 1049-1126, in: Studi Gregoriani 11, 1978, S. 5-298,
hier S. 159 Z. 17f. Auf diese Regelung geht nicht ein Henriet, La politique monastique (wie
Anm. 17), der daher verkennt, dass die älteren, bereits unter Abt Odilo versprochenen litur-
gischen Gebetsleistungen Clunys mit dem Kampf der christlichen Könige von Aragon und
Navarra gegen die Muslime auf der Iberischen Halbinsel Zusammenhängen, obwohl er be-
reits auf die in diesem Zusammenhang an Cluny ergehenden Geldzahlungen verweist: eben-
da, S. 119 mit Anm. 89f.
21 Gualterus, Vita S. Anastasii § 4: „Cumque per aliquot dies de vita et conversatione Clunia-
censium fratrum abbas multum referret, virum Dei monuit, et multum rogavit, ut Cluniacum
secum adiret, ubi et votum suum complere posset, et exemplum bonae conversationis caeteris
fratribus daret. Cujus petitioni vir Dei Anastasius acquiescens, cum eo iter arripuit“, Migne,
Patrologia Latina 149, Sp. 425-432, hier Sp. 428 Z. 33-39. Zu dieser Vita vgl. jetzt Scott G.
Bruce, 7. The ,Life‘ of Anastasius of Cluny, monk and hermit, in: Alex J. Novikoff (Hg.),
The twelfth-century Renaissance. A reader, Toronto 2017, S. 32-40.