Warum Clunys Islamprojekt zunächst scheitern musste I 293
in die Reflexion des Verhältnisses von religiösem Gesetzgeber und religiösem
Gesetz wird der schon bei Petrus Venerabilis begonnene Vergleich zu einem
System religiöser Gesetze ausgebaut und im allgemeinen Rechtsdenken der Zeit
verankert und somit der Qur’än erstmals in das systematische theologische
Denken der Zeit integriert.57 Die spätere Summa contra gentiles des Dominika-
ners Thomas von Aquin ist ohne die Werke seiner Pariser Vorläufer Wilhelm
von Auvergne und Alexander von Haies, eines Weltklerikers und eines Franzis-
kaners, gar nicht denkbar.58 59
Demgegenüber lagen die spezifischen Neuerungen durch den Dominikaner-
orden zunächst mehr im organisatorischen Bereich neuer Bildungsstrukturen.39
Erstmals werden an den Grenzen des Christentums spezielle Studien institutio-
nalisiert, die sich auf die Sprachausbildung der Ordensbrüder („studia hebraica/
arabica“) im Kontext ihrer neuartigen pastoralen Aufgaben („missiones“) kon-
zentrierten. Doch bei allem Informationsaustausch auf den verschiedenen Kapi-
telebenen des Ordens scheiterte dieser Organisationsversuch an der Widerstän-
digkeit wenig beeinflussbarer, religiöser, kultureller, sozialer und mentaler
Faktoren insbesondere in den muslimischen Mehrheitsgesellschaften. Die Macht
der Sprach- und Kulturgrenzen führte also selbst die innovativsten Bildungs-
strukturen des Ordens in die Krise und zwang zur strategischen Neuausrich-
tung seiner Aufgabenfelder durch das Generalkapitel von Valenciennes (1259).
Die genannten Spezialstudien wurden aus der muslimischen Mehrheitsgesell-
schaft Nordafrikas abgezogen und in den Küstenstädten der christlichen Mehr-
heitsgesellschaft des expandierenden Königreichs Aragon neu eingerichtet.60
Auch wurden vermehrt maurische und jüdische Konvertiten als muttersprachli-
che Lehrer in diesen Studienhäusern engagiert. Parallel dazu setzt vor allem in
den dominikanischen Generalstudien außerhalb der „Hispania“ die massive
Produktion einer neuen pastoralen Lehr- und Handbuchhteratur ein, in denen
neben Petrus Alfonsis Islamkapitel im Dialoges contra ludaeos erstmals der sog.
57 Tischler, ,Lex MahometL (wie Anm. 6), S. 546-549.
58 Der ausführliche Titel von Thomas’ Werk lautet nämlich Liber de verdate catholicae fidei
contra errores infidelium, war also auch ein „fides“-Traktat; vgl. Pedro Marc e. a., S. Thomae
Aquinatis Doctoris Angelici Liber de Veritate Catholicae Fidei contra errores Infidelium qui
dicitur Summa contra Gentiles, 3 Bde., Torino/Pans 1961-1967, Bd. 1.
59 Zum Folgenden vgl. Matthias M. Tischler, Grenzen und Grenzüberschreitung in der
christlich-muslimischen Begegnung. Bemerkungen zum Stellenwert der Arabischkenntnisse
in der abendländischen Missionsgeschichte, in Zeitschrift für Missionswissenschaft und Re-
ligionswissenschaft 93, 2009, S. 58-75, hier S. 65-71.
60 Zudem wurde gemäß dem Generalkapitelbeschluß von 1259 das in der Ordensprovinz „His-
pania“ einzurichtende Arabischstudium Brüdern aus allen Ordensprovinzen geöffnet; vgl.
Tischler, Grenzen und Grenzüberschreitung (wie Anm. 59), S. 69 mit Anm. 57 und S. 70
mit Anm. 65 und 67.
in die Reflexion des Verhältnisses von religiösem Gesetzgeber und religiösem
Gesetz wird der schon bei Petrus Venerabilis begonnene Vergleich zu einem
System religiöser Gesetze ausgebaut und im allgemeinen Rechtsdenken der Zeit
verankert und somit der Qur’än erstmals in das systematische theologische
Denken der Zeit integriert.57 Die spätere Summa contra gentiles des Dominika-
ners Thomas von Aquin ist ohne die Werke seiner Pariser Vorläufer Wilhelm
von Auvergne und Alexander von Haies, eines Weltklerikers und eines Franzis-
kaners, gar nicht denkbar.58 59
Demgegenüber lagen die spezifischen Neuerungen durch den Dominikaner-
orden zunächst mehr im organisatorischen Bereich neuer Bildungsstrukturen.39
Erstmals werden an den Grenzen des Christentums spezielle Studien institutio-
nalisiert, die sich auf die Sprachausbildung der Ordensbrüder („studia hebraica/
arabica“) im Kontext ihrer neuartigen pastoralen Aufgaben („missiones“) kon-
zentrierten. Doch bei allem Informationsaustausch auf den verschiedenen Kapi-
telebenen des Ordens scheiterte dieser Organisationsversuch an der Widerstän-
digkeit wenig beeinflussbarer, religiöser, kultureller, sozialer und mentaler
Faktoren insbesondere in den muslimischen Mehrheitsgesellschaften. Die Macht
der Sprach- und Kulturgrenzen führte also selbst die innovativsten Bildungs-
strukturen des Ordens in die Krise und zwang zur strategischen Neuausrich-
tung seiner Aufgabenfelder durch das Generalkapitel von Valenciennes (1259).
Die genannten Spezialstudien wurden aus der muslimischen Mehrheitsgesell-
schaft Nordafrikas abgezogen und in den Küstenstädten der christlichen Mehr-
heitsgesellschaft des expandierenden Königreichs Aragon neu eingerichtet.60
Auch wurden vermehrt maurische und jüdische Konvertiten als muttersprachli-
che Lehrer in diesen Studienhäusern engagiert. Parallel dazu setzt vor allem in
den dominikanischen Generalstudien außerhalb der „Hispania“ die massive
Produktion einer neuen pastoralen Lehr- und Handbuchhteratur ein, in denen
neben Petrus Alfonsis Islamkapitel im Dialoges contra ludaeos erstmals der sog.
57 Tischler, ,Lex MahometL (wie Anm. 6), S. 546-549.
58 Der ausführliche Titel von Thomas’ Werk lautet nämlich Liber de verdate catholicae fidei
contra errores infidelium, war also auch ein „fides“-Traktat; vgl. Pedro Marc e. a., S. Thomae
Aquinatis Doctoris Angelici Liber de Veritate Catholicae Fidei contra errores Infidelium qui
dicitur Summa contra Gentiles, 3 Bde., Torino/Pans 1961-1967, Bd. 1.
59 Zum Folgenden vgl. Matthias M. Tischler, Grenzen und Grenzüberschreitung in der
christlich-muslimischen Begegnung. Bemerkungen zum Stellenwert der Arabischkenntnisse
in der abendländischen Missionsgeschichte, in Zeitschrift für Missionswissenschaft und Re-
ligionswissenschaft 93, 2009, S. 58-75, hier S. 65-71.
60 Zudem wurde gemäß dem Generalkapitelbeschluß von 1259 das in der Ordensprovinz „His-
pania“ einzurichtende Arabischstudium Brüdern aus allen Ordensprovinzen geöffnet; vgl.
Tischler, Grenzen und Grenzüberschreitung (wie Anm. 59), S. 69 mit Anm. 57 und S. 70
mit Anm. 65 und 67.