Metadaten

Maul, Stefan M.; Maul, Stefan M. [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Keilschrifttexte aus Assur literarischen Inhalts (Band 10, Teilband 1): Einleitung, Katalog und Textbearbeitungen — Wiesbaden: Harrassowitz Verlag, 2019

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.57036#0021
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
8

Bannlösung (nam-erim-bür-ru-da)

personifizierten Banns zu verbrennen. Die Tafel wird heute im
Otago Museum in Dunedin (Neuseeland) aufbewahrt und ist mit
einer groben Zeichnung versehen, die den ziegenköpfig darge-
stellten Bann zeigt.45 Da in der Vorstellung der altorientalischen
Heiler Schadenzauber und “Barm” ähnliche Krankheitssympto-
me hervorbrachten und deshalb nicht selten gemeinsam thera-
piert wurden, dürfte das zunächst mit der Schadenzauberabwehr
verbundene Verfahren der Verbrennung von Wachsfigürchen sei-
nen Weg in ein Bannlösungsverfahren gefunden haben.
Die Therapiebeschreibung 6 ist uns aus zwei Textvertretem
bekannt (hier Text Nr. 14-15). Beide stammen aus dem
Tafelbestand, der im sog. Haus des Beschwörungspriesters in
Assur gefunden wurde. Einer davon wurde laut Tafelunterschrift
von einem Heiler “zur Vorbereitung der Durchführung
eilig exzerpiert”. Die Heilbehandlung hatte zum Ziel, die
schädigende Kraft verschiedener Übel zu brechen. Dazu
zählen die “Hand des Totengeistes”, die “Hand der Istar” und
u. a. auch der "Vergeltung! sfluch)” (türtu), der “Eid” (msu) und
vermutlich der “Bann” (märmtu). Das Verfahren, diese Übel
abzuwehren, entspricht im wesentlichen dem Grundmuster der
Bannlösungsverfahren.
2.2.2. Tontafeleditionen mit Zusammenstellungen der dicenda
der nam-erim-bür-ru-da genannten Heilbehandlung
(Texte Nr. 16-47?6
‘Leitfaden’ und Therapiebeschreibungen waren nicht
die einzigen Überlieferungsformen, die die Heiler zur
Dokumentation des Bannlösungsverfahrens entwickelt hatten.
Die dritte Dokumentationsart entspricht ihrem Wesen nach einer
sehr alten Tradition, die bis in das frühe dritte vorchristliche
Jahrtausend zurückreicht. Aus dieser Zeit sind nicht wenige
Tontafeln mit Beschwörungen und Gebeten bekannt, die in
ihrem genauen Wortlaut festgehalten sind. Die Sitte, den
dicenda Hinweise auf deren Einbettung in eine Therapie oder
ein Ritualgeschehen beizugeben, kam hingegen nur zögerlich
in der altbabylonischen Zeit auf und gelangte erst im ersten
Jahrtausend v. Chr. zu voller Blüte. Die uralte Tradition, die
dicenda schriftlich niederzulegen. die agenda aber eher den
nicht-schriftlichen Überlieferungsformen zu überlassen, prägt
die Tontafeleditionen, die den Handlungsablauf der nam-erim-
bür-ru-da genannten Therapie ganz oder weitgehend außer
acht zu lassen scheinen und fast ausschließlich die dicenda dieser
Heilbehandlung enthalten. Zu diesem, hier als ‘nam-erim-
bür-ru-da-Rezitation’ bezeichneten Typ der Überlieferung
gehören die meisten der in diesem Buch vorgestellten Schriften
zur Bannlösung. Die Mehrzahl der hierzu zählenden Tafeln
war mit Stichzeilen versehen, die auf die erste Zeile der jeweils
folgenden Tafel verweisen. Die dadurch festgelegte Reihenfolge
entspricht dem Handlungsablauf des Bannlösungsverfahrens
wie er auch im ‘Leitfaden’ vorgeschrieben ist.47

45 P. Zilberg. W. Horowitz. ZA 106. 175-184.
46 Zu dieser Textgnippe gehört wohl auch Text Nr. 10.
47 Bei einer beachtlichen Anzahl der hierhergehörigen Textvertreter ist das
Tafelende so stark beschädigt, daß man nicht mehr entscheiden kann, ob
die Tafel eine Stichzeile aufwies oder nicht (die Texte Nr. 16. 17. 19 mit
Zusatzstücken. 20. 21. 23. 28. 29(+)30. 31. 33. 37. 39. 41. 42 und 47).
Insgesamt sieben neuassyrische Textvertreter aus Assur (Texte Nr. 18. 32.
35. 43(+)44). Ninive (Text Nr. 27) und Kalhu (Texte Nr. 34 und 40) waren
jeweils mit Stichzeilen versehen, zwei frühneuassyrische (Text Nr. 36
aus einem nicht bestimmbaren Ort und Text Nr. 45 aus Ninive) und ein
babylonischer Textzeuge (Text Nr. 38 aus Sippar) hingegen nicht.

Während der ‘Leitfaden’ und die größte Zahl der
‘Therapiebeschreibungen’ ausschließlich aus dem Tafelbestand
aus dem sog. Haus des Beschwörungspriesters in Assur bekannt
sind, ist die dritte Überlieferungsform des Bannlösungsverfahrens
auch in anderen Tafelfimden vertreten.48 Die zugehörigen
Textzeugen kommen aus dem Alten Palast und anderen
Fundstellen in Assur.49 aus dem Nabü-Tempel in Kalhu.50 aus
Huzinna51 und einem weiteren Ort Assyriens, der nicht mehr
bestimmt werden kann.52 aus den königlichen Bibliotheken, die
Assurbanipal um die Mitte des 7. Jh. v. Chr. in seinem Palast in
Ninive hatte aufbauen lassen.53 und schließlich aus Sippar.54
Obgleich uns die große Mehrheit der Schriften des dritten
Typs durch Textzeugen aus dem ersten vorchristlichen
Jahrtausend bekannt ist. zeigen ein spätmittelassyrischer55 und
einige wenige Textvertreter aus der frühneuassyrischen Zeit.56
daß es Vorlagen aus älterer Zeit gegeben haben muß.57
Die Tontafeln mit der Zusammenstellung von nam-
erim-bür-ru-da-Rezitationen wurden zum größeren
Teil auf einkolumnigen Tafeln überliefert. Fassungen auf
zweikolumnigen Tafeln wurden in Assur.58 Kalhu.59 Ninive60
und Sippar61 gefunden.
2.2.3. Weitere Beschreibungen von Bannlösungsverfahren und
verwandte Texte (Texte Nr. 48-69)
Aus den königlichen Bibliotheken des Assurbanipal in Ninive62
und aus Assur63 sind weitere Schriften bekannt, die Verfahren
der Bannlösung dokumentieren. Sie werden in diesem Buch
in einem gesonderten Abschnitt vorgestellt, da sich nicht klä-
ren ließ, ob sie ihren ‘Sitz im Leben’ in dem Handlungsab-
lauf hatten, der durch den ‘Leitfaden’ zur Durchführung der
nam-erim-bür-ru-da genannten Therapie festgelegt ist. oder
ob sie - so wie beispielsweise die aus der Heilbehandlung Surpu
bekannten dicenda zur Bannlösung - in grundsätzlich ande-
re Kontexte eingebunden waren. Dies ist für die hier als Text
Nr. 48-51 präsentierte Edition von Rezitationen der Fall. Sie ge-
hörte zu dem blt rimki genannten Ritualzyklus, auch wenn sie
dennoch ihren Platz in der nam-erim-bür-ru-da genannten
Heilbehandlung gehabt haben könnte.64 Obgleich wenig Zweifel
48 Aus dem sog. Haus des Beschwörungspriesters stammen die Texte Nr. 17.
18. 32. 35 und 43(+)44.
49 Der spätmittelassyrische Text Nr. 46. Neuassyrische Textvertreter aus
Assur. deren Fundstelle unbekannt ist. sind die Texte Nr. 16. 19 mit
Zusatzstücken. 23 und 24.
50 Texte Nr. 34. 39. 40 und 42; siehe ferner Text Nr. 10.
51 Text Nr. 20.
52 Text Nr. 36.
53 Texte Nr. 21. 27. 28. 29. 31. 33. 37 und 45.
54 Text Nr. 38.
55 Text Nr. 46 aus dem Alten Palast in Assur.
56 Die Texte Nr. 36. 39. 41 und 47. Es ist unklar, ob Text Nr. 45 ebenfalls aus
der frühneuassyrischen Zeit stammt oder jüngeren Datums ist.
57 Zu Hinweisen darauf, daß dicenda des Bannlösungsverfahrens bereits in
altbabylonischer Zeit schriftlich fixiert wurden, siehe oben Anm. 36.
58 Text Nr. 41 (frühneuassyrisch).
59 Text Nr. 39 (frühneuassyrisch).
60 Die Texte Nr. 28. 29 und 33 (alle spätneuassyrisch).
61 Text Nr. 38.
62 Die Texte Nr. 48-53.
63 Text Nr. 54.
64 Siehe dazu den Kommentar zu Text Nr. 1-2. 8'.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften