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Vorwort des Herausgebers

Bei der systematischen Durchsicht aller Keilschrifttexte aus
Assur wurde sehr bald deutlich, daß sich unter den ungelesenen
und noch nicht identifizierten Tontafelfragmenten erstaunlich
viele Bruchstücke befanden, die zu Tafeln gehören, in denen
Verfahren zur Abwehr von Schadenzauber beschrieben sind.
Dieser Befund war unerwartet, da nicht wenige in Assur gefun-
dene Keilschrifttexte dieser Art bereits durch die Arbeiten von
E. Ebeling und F. Köcher 1 bekannt geworden waren. Der
Zuwachs an Beschreibungen von Ritualen, mit deren Hilfe
Unheil beseitigt oder abgewehrt werden sollte, das auf böswillige
magische Manipulationen zurückgeführt wurde, war so groß, daß
ein ganzer Band der Keilschrifttexte aus Assur literarischen
Inhalts den Ritualen und Beschwörungen gegen Schadenzauber
gewidmet werden kann. Das hier präsentierte Textcorpus besteht
neben einigen Textvertretern des schon früh bekannt gewordenen
umfangreichen, Maqlü (“Verbrennung”) genannten Rituals zur
Abwehr von Schadenzauber vor allem aus einer Reihe von kürzer
gefaßten, auf einzelnen Tontafeln überlieferten Ritualbeschrei-
bungen. Sie erweitem unsere Kenntnis der altorientalischen
Vorstellungen davon, wie Schadenzauber zustande kam, wie er
wirkte und wie seine Folgen beseitigt werden konnten, ganz
erheblich. Ein beachtlicher Teil dieser Texte stammt aus der
Bibliothek des sog. Hauses des Beschwörungspriesters, 2 der wir
gegenwärtig mehr als 1200 Tontafeln und Tontafelfragmente
sicher zuweisen können.

E. Ebeling, Keilschrifttexte aus Assur religiösen Inhalts Bd. I, WVDOG 28,
Leipzig (1915-)1919; ders., Keilschrifttexte aus Assur religiösen Inhalts Bd.
II, WVDOG 34, Leipzig (1920-)1923; E. Ebeling, F. Köcher, Literarische

Die Aufgabe, das hier vorgelegte Corpus der Rituale und
Beschwömngen gegen Schadenzauber zu edieren, hatte zunächst
Petra Gesche übernommen. Da sie jedoch am 30.9.1999 als
Mitarbeiterin der Heidelberger Forschungsstelle ausschied,
mußte ein neuer Bearbeiter gefunden werden. Es war daher ein
besonders glücklicher Zufall, daß Daniel Schwemer zu dieser
Zeit eine Habilitationsschrift über Schadenzauber in Meso-
potamien plante und sich gern bereit erklärte, eine Edition der
einschlägigen Assur-Texte zu erstellen und als Band der
Keilschrifttexte aus Assur literarischen Inhalts vorzulegen. Die
hier veröffentlichten Editionen waren Teil der Abhandlung
Schadenzauber in Mesopotamien. Quellen und Studien, die
Daniel Schwemer im Wintersemester 2004/2005 der Philoso-
phischen Fakultät I der Julius-Maximilians-Universität als
Habilitationsschrift vorlegte. Von dieser Arbeit hat das vorlie-
gende Buch erheblich profitiert, insbesondere die Einleitung mit
der Darstellung des Schadenzauberglaubens in Mesopotamien
und dem Überblick über die Formen der Behandlung von auf
Behexung zurückgeführten Leiden.

Die Druckvorlagen für die Bände der Reihe Keilschrifttexte
aus Assur literarischen Inhalts werden in der Heidelberger
Forschungsstelle erstellt, um bei der Drucklegung unnötige
Fehler zu vermeiden. Für den vorliegenden Band hat Wiebke
Meinhold diese Aufgabe übernommen.

Heidelberg, im April 2007 Stefan M. Maul

Keilschrifttexte aus Assur, Berlin 1953; F. Köcher, Die Babylonisch-assyri-
sche Medizin in Texten und Untersuchungen, Band I-VI, Berlin 1963-1980.

2 Vgl. O. Pedersen, ALA II, 41-76 (N4).

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