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sich dies nur für einen Teil der Tafeln und Fragmente anhand der
Aufzeichnungen über den jeweiligen Fundort oder anhand der
Kolophone endgültig nachweisen. 25

Die Bedeutung dieser Privatbibliothek, die nach dem promi-
nentesten der in den Kolophonen vertretenen Schreiber auch kurz
die Bibliothek des Kisir-Assur genannt wird, ist andernorts
gebührend hervorgehoben worden 26 Der Großteil der Texte aus
dieser Bibliothek, die hier vorgelegt werden, sind wohl, wie dies
für den gesamten Bibliotheksbestand gilt, eben dem Kisir-Assur
und seinem Neffen Kisir-Nabü zuzuweisen, stammen also aus
der Regierungszeit Assurbanipals oder seiner Nachfolger.
Allerdings wurde eine Tafel ihrem Kolophon zufolge von Abu-
erlba, einem Onkel Kisir-Assurs, geschrieben; 27 zwei weitere
lassen sich dem Assur-säkin-sumi zuweisen, der auch sonst in
Texten der Bibliothek begegnet. 28 Offenbar befanden sich zur
Zeit ihrer Zerstörung nur wenige ältere, mittel- oder frühneu-
assyrische Tafeln im Bestand der Kisir-Assur-Bibliothek. Auch
innerhalb der hier vorgelegten Textgruppe kann ich nur bei ein
oder zwei der insgesamt nicht sehr zahlreichen mittelassyrischen
Fragmente Hinweise darauf sehen, daß sie zum Bestand der
Kisir-Assur-B ibliothek gehörten 29

25 Zur Bibliothek des Kisir-Assur siehe grundlegend O. Pedersen, ALAII 41ff.
(N 4). Sicher dieser Bibliothek zuweisen lassen sich innerhalb der hier
vorgelegten Textgruppe folgende Nummem: 8,13,23-26,30,31,34, 39,41,
46, 49, 58, 59. Zwei Fragmente gehören zu der von O. Pedersen als N 6
gezählten neuassyrischen Bibliothek (Nr. 4 und 5), eine Tafel zur
neuassyrischen Bibliothek N 2 (Nr. 21). Das hier als Nr. 35 edierte mittel-
assyrische Fragment läßt sich der sogenannten „Bibliothek Tiglatpilesers“
(M 2) zuweisen. Auch wenn man die im weitesten Sinne einschlägigen, hier
jedoch nicht berücksichtigten Handschriften mit in den Blick nimmt
(darunter vor allem auch Istanbuler Texte), ändert sich am Gesamtbild
nichts. Ich zähle für N 4 weitere 55 Fragmente und Tafeln, die zu unserem
Genre gehören oder Berührungen mit ihm zeigen; sie sind sämtlich in die
neuassyrische Zeit zu datieren (einzige Ausnahme: die spätmittel- oder früh-
neuassyrische Tafel, die F. Köcher als BAM 316 veröffentlicht hat). Für N 5
sind zwei Texte zu buchen, für N 6 nur ein weiterer.

26 Siehe S.M. Maul, ‘Lösung vom Bann’ 79-82; zu den uns bekannten
Gelehrten der Beschwörerfamilie siehe H. Hunger, ABK 19ff„ O. Pedersen,
ALA II 41ff. sowie die einschlägigen Artikel in PNA (s.v. Babu-sumu-ibni,
Abu-erTba, Nabü-belsunu, Kisir-Assur, Kisir-Nabü und Assur-nädin-ahhe,
vgl. auch s.v. Assur-säkin-sumi).

27 Siehe Nr. 34 (VAT 13619).

Festzuhalten gilt, daß Kisir-Assur eine durchaus repräsenta-
tive Sammlung von Texten aller Genera des Abwehrzaubers
besaß, die in seiner Zeit gängig waren. Daß die Organisation der
Tafeln in Serien sich von dem aus Ninive Bekannten abhebt, ist
angesichts des grundsätzlich unterschiedlichen Charakters der
beiden Bibliotheken nicht weiter überraschend. 30 Ebensowenig
kann es verwundern, daß auch bei der Überlieferung einzelner
Texte bisweilen Diskrepanzen zu den aus Ninive bekannten
Textversionen deutlich werden; die Schreiber in Assur benutzten
eben zum Teil Vorlagen, die anderen Traditionen folgten als die
Tafeln, die den Gelehrten in Ninive als Vorlagen dienten. 31 Dies
gilt nicht zuletzt auch für das Ritual Maqlü, das in Assur allem
Anschein nach auch in einer kürzeren Form als der sonst bekann-
ten neuntafligen Version tradiert wurde. 32

Unabhängig von der Zugehörigkeit zu verschiedenen
Bibliotheken fällt auf, daß sich unter den in Assur gefundenen
Abwehrzaubertexten kaum Handschriften babylonischer Prove-
nienz finden - anders als dies etwa bei der Omenliteratur der Fall
ist. 33 Gleichwohl kann kein Zweifel daran bestehen, daß sich
auch die Texte des Abwehrzaubers zum ganz überwiegenden
Teil babylonischen Traditionen verdanken.

28 Siehe Nr. 49 (VAT 13776, zuvor BAM 190) und Nr. 30 (VAT 14030+).

29 Siehe die Bemerkungen zu Nr. 22 (VAT 10094 [zuvor BAM 334] + VAT
10989, mA) und dem Duplikattext Nr. 23 (VAT 13611, zuvor LKA 156).
Auch Nr. 45 (VAT 11603, KAR 275, mA) könnte angesichts des Duplikats
BAM 317 (nA, N 4: 505) womöglich aus der Bibliothek N 4 stammen.

30 Siehe oben zu den usburruda-Serien in Ninive und Assur.

31 Hingewiesen sei etwa auf den Text Nr. 24 (VAT 13609 + 13665, zuvor LKA
154, 155), zu dem ein im einzelnen stark abweichender Duplikattext aus
Ninive bekannt ist (K 3394 [SRT pl. 7] + unpubl. K 9866).

32 Vgl. hier insbesondere die Nr. 3-6; ähnliche Handschriften begegnen auch
andernorts (vgl. in Nimrnd: CTN 4, 92 [Bagdad]; mit CTN 4, 147 [London,
koll.] und CTN 4, 145 [verloren] zusammenzuschließen); hinzuweisen ist in
diesem Zusammenhang auch auf die mittelassyrischen Fragmente KAR 226
und 269 (vgl. T. Abusch, BWiL 13-44, 77-82).

33 Ich kann im gesamten Corpus der Abwehrzaubertexte, die in Assur gefunden
wurden, nur eine einzige im babylonischen Duktus beschriebene Tafel nach-
weisen: KAR 268 (VAT 10059, koll.), ein Textvertreter von Maqlü VII. Die
Tafel, die keiner bestimmten Bibliothek zugewiesen werden kann, datiert
m.E. in die frühneubabylonische Zeit.

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