Metadaten

Jaspers, Karl; Kaegi, Dominik [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 8): Schriften zur Existenzphilosophie — Basel: Schwabe Verlag, 2018

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69895#0112
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Wahrheit als Mitteilbarkeit

51

2. Die Kommunikation des Bewußtseins überhaupt162 ist | die der beliebig vertretba- 77
ren, unter sich nicht ähnlichen, sondern übereinstimmenden Punkte des Bewußt-
seins, die in der Spaltung des Wißbaren (in Subjekt und Objekt, in Form und Material,
in das Etwas und das Andere usw.)163 durch das Mittel aller logischen Kategorien die
Allgemeinheit des für jedermann Gültigen verneinend und bejahend ergreifen. Es ist
die Kommunikation des mit sich identischen Bewußtseins in der Vielheit seines Da-
seins. Die Mitteilung geschieht in der persönlich uninteressierten Richtung auf eine
Sache, deren Faktizität oder zwingende Geltung in gemeinsamer Methodik des Argu-
mentierens gesucht wird.
3. Die Kommunikation des Geistes ist das Sichhervorbilden aus der gemeinschaftli-
chen Substanz der Idee eines Ganzen. Der Einzelne ist sich bewußt, an seinem Ort zu
stehen, der seinen eigentümlichen Sinn aus jenem Ganzen hat. Seine Kommunikation
ist die eines Gliedes zum Organismus. Er ist anders wie alle übrigen, aber mit ihnen
eins in der sie umgreifenden Ordnung. Sie teilen einander mit aus dem gemeinsamen
Gegenwärtigen der Idee. In der Mitteilung ist es, als ob ein im Sinne des Bewußtseins
überhaupt nicht klar wißbares Ganzes spräche, einschränke und anzeige, worauf es
ankomme. Ohne Erfülltheit durch den wirksamen Gehalt dieses Ganzen gleitet die
Mitteilung sofort ins Gleichgültige und Beliebige aus.
In diesen drei Weisen des Umgreifenden, das wir sind - Dasein, Bewußtsein überhaupt,
Geist - ist jedesmal ein eigentümlicher Wahrheitssinn:
Wahrheit des Daseins ist durch Brauchbarkeit in der Folge der Praxis und durch Ge-
wohnheit. Sie ist Funktion des sich erhaltenden und ausbreitenden Daseins. Wahrheit
ist hier nicht von eigenem Ursprung, sondern aus der Praxis für die Praxis in letzthin
zielloser Beweglichkeit des | Sichhervorbringens und des für eine gewisse Dauer sich 78
als möglich Bewährenden.
Im Medium des Bewußtseins überhaupt gilt zwingende Richtigkeit. Als bloßer Ver-
stand muß jeder, sofern er überhaupt versteht, diese Richtigkeit einsehen. Die Evidenz
gehört zum Verstandeswesen als Funktion des Begreifens von zeitloser Richtigkeit des
Allgemeingültigen.

nigen, nämlich in beiderseits unveränderlicher, sondern daß ich die Meinung des Andern im Auge
behalte als eine, die vielleicht später geeignet ist, die meinige zu ändern. Das Zusammenarbeiten
verlangt ferner, sich mit den Fehlern einer Sache einverstanden zu erklären. Wer etwas Vollende-
tes herstellen will, verkennt die in der konkreten Sache liegenden Möglichkeiten und endet statt
in Vollendung gerade in Verwirrung. Nur das Zulassen eines Spielraums ermöglicht Einigung und
in der Folge die Erfahrung, wie man es nunmehr in concreto zu ändern habe. Es kann sogar gefor-
dert sein, sich selbst vorübergehend mit seiner ganzen Meinung außer Aktion zu setzen, um eine
momentan unausweichlich scheinende Aktion zu ermöglichen.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften