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Jaspers, Karl; Kaegi, Dominik [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 8): Schriften zur Existenzphilosophie — Basel: Schwabe Verlag, 2018

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69895#0114
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Wahrheit als Mitteilbarkeit

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es muß sich als Ganzheit auf andere Ganzheit beziehen und bleibt auch in eigener
Wirklichkeit stets unvollendet.
|Die Vergegenwärtigung der menschlichen Gemeinschaft in den drei Weisen des Um- 80
greifenden zeigt noch nicht, was eigentlich Wahrheit ist, wenn auch Wahrheit in je-
dem der getroffenen Momente eine Rolle spielt; sie zeigt noch nicht den letzten Grund
und Boden aller Kommunikationsmöglichkeit.
Gemeinschaft durch Mitteilung ist zwar schon im Dasein des Lebendigen, und sie
ist im Bewußtsein überhaupt, und sie ist im Geist. Sie kann aber im bloßen Dasein
triebhafte Sympathie und zweckhaft begrenztes Interesse bleiben, im bloßen Bewußt-
sein überhaupt die gleichgültige Zustimmung zum Richtigen, im Geiste ein täuschen-
des Totalitätsbewußtsein in einem doch plötzlich wieder versagenden Zusammenge-
hören.
Es ist ein Ungenügen in jeder Weise des Umgreifenden, ein Ungenügen sowohl der
Kommunikation wie der Weise des Wahrseins. Dieses Ungenügen ist zunächst ver-
ständlich zu machen durch die Grenze, welche anzeigt, daß keine der Weisen aus sich
allein bestehen kann:
Dasein sucht Befriedigung, Dauer, Glück. Seine Grenze aber ist, daß, was Glück ist,
immer auch unklar und fragwürdig bleibt. Ein Mensch, dem alle Wünsche erfüllt wür-
den, wäre durch die Folgen zerstört. Kein Glück ist beständig und jede Erfüllung auch
enttäuschend. Die Sinnlosigkeit des immer begehrenden Willens, der doch kein Ziel
hat, ist ein altes Thema der Philosophie.
Bewußtsein überhaupt trifft auf das allgemeingültig Wahre. Seine Grenze aber ist,
daß dieses unbezweifelbar Richtige als nur solches nichtig wäre und in einer sinnlo-
sen Endlosigkeit gehäuft werden kann.
Geist ergreift die Idee des Ganzen. Seine Grenze aber ist das nicht in Geist Auflös-
bare, die Wirklichkeit des Nichttotalen, des Zufälligen, des bloß Faktischen. -
Verabsolutiert sich ein Umgreifendes, so ist jedesmal | nach den charakteristischen 81
Erscheinungen zu fragen, die auftreten, wenn das andere Umgreifende vernachlässigt,
die Grenze eines Umgreifenden mißachtet wird.
I. Was geschieht, wenn das natürliche Dasein als solches für das Sein selbst nicht
nur erklärt, sondern getan wird? Wenn also der naturalisierende Gedanke nicht nur
gesagt, sondern verwirklichend verstanden wird, die Verabsolutierung des Umgreifen-
den des Daseins vollzogen wird?
Es geschieht in eins die Preisgabe der allgemeingültigen Wahrheit des Bewußtseins
überhaupt und der Ganzheitsideen des Geistes. Im Anfang zwar kann eine Wahrhaftig-
keit, die den Trug des von der Wirklichkeit losgelösten intellektuellen Denkens und
des losgelösten, nur gebildeten Geistes versteht, noch gegenwärtig sein. Es konnte
manchmal in einem entstehenden »Materialismus« faktisch vielmehr ein leiden-
 
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