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Jaspers, Karl; Kaegi, Dominik [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 8): Schriften zur Existenzphilosophie — Basel: Schwabe Verlag, 2018

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69895#0143
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127

IFünfte Vorlesung

Die Möglichkeiten gegenwärtigen Philosophierens
Die Lage durch Kierkegaard und Nietzsche. - Die Aufgabe: angesichts der Ausnahme nicht als Aus-
nahme zu philosophieren .127
i. Vernunft und philosophische Logik.131
2. Aneignung der philosophischen Überlieferung.136
3. Philosophie zwischen Offenbarungsglaube und Gottlosigkeit.138
4. Der philosophische Glaube.142
Einwände gegen dieses Philosophieren.146

Wir sahen in der ersten Vorlesung die durch Kierkegaard und Nietzsche in der Wirk-
lichkeit dieses Zeitalters für das Philosophieren geschaffene Lage. Es ist durch sie
eine neue Situation des Denkenkönnens und Denkenmüssens auf eine geschicht-
lich einzige, aus keinem anderen historischen Tatbestand durch Analogie verständ-
liche Weise entstanden. Zwar scheint man von Zeit zu Zeit beide unwillig abschüt-
teln zu wollen. Da man sie aber nicht wahrhaft durchdrungen hat und ihrer nicht
eigentlich in ihrer Wirklichkeit und ihrem Denken ansichtig geworden ist, kehren
sie wieder, größer und eindrucksvoller als zuvor. Durch ein halbes Jahrhundert be-
steht die Zweideutigkeit ihrer ebenso großartig erweckenden wie radikal zerstören-
den Wirkung.
Wir hatten uns philosophisch zu wehren gegen ihr Mißverstandenwerden, gegen
die nihilistischen, sophistisch verkehrenden, zur endlosen Reflexion verführenden
128 oder | suggestiv überrumpelnden Weisen der Benutzung ihrer Gedanken und Worte,
um für uns den unverlierbaren Anspruch, den sie hinterließen, um so entschiedener
zu erfahren.
Sieht man in den vergangenen Jahrzehnten die ohnmächtige und fruchtlose Ein-
schränkung der Wahrheit auf das sogenannte Vernünftige, aber nur scheinbar Ver-
nünftige, und dann wieder die ebenso fruchtlose Verwerfung der Vernunft, in die das
Vertrauen zu einer unzureichend ergriffenen Vernunft leicht umschlagen konnte, so
will die Philosophie, die man heute Existenzphilosophie1201 nennt, nicht eine der cha-
otischen, widervernünftigen Bewegungen sein, sondern vielmehr der Gegenschlag
gegen das Chaotische und Ruinöse, das sowohl im täuschenden Gewände rationaler

i Der Name ist irreführend, sofern er einzuschränken scheint. Philosophie kann jederzeit nur die
uralte, ewige Philosophie schlechthin sein wollen.
 
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