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Vernunft und Existenz
ler Mitteilung, nicht im Sinne der Verwechslung allgemeingültiger und relativer wis-
senschaftlicher Richtigkeit mit unbedingter, geschichtlicher Wahrheit. Gerade diese
Philosophie vermag allein die Denkungsart echter Wissenschaft zu bewahren, zu be-
greifen und zu beseelen, damit für sich die Unwissenschaftlichkeit der intellektuellen
Spielerei, der verabsolutierten Wissenschaftserkenntnis und der täuschenden Unphi-
losophie zum Erlöschen zu bringen. Sie erwirkt die wirkliche Überwindung des leeren
Intellektualismus durch den existentiell gegründeten Verstand. - Die Philosophie ver-
langt vom Hörenden das entgegenkommende Selbstsein, das sie nicht zu geben (das
könnte nur ein Gott), sondern nur zu erwecken vermag. Ihr ist menschliches Den-
ken, das allein sie vollzieht, für den Andern immer nur Anlaß, noch nicht Erfüllung.
Ferner wirft man dieser Philosophie vor, sie sei individualistisch.
Das ist ein radikaler Irrtum. Die Alternativen der Kategorien, so auch die von in-
dividualistisch und universalistisch, sind auf der Ebene des Philosophierens als sich
ausschließende unanwendbar, weil in dieser Gestalt sie beide in die Irre führen. Die
Philosophie kann in ihren Formeln sowohl individualistisch wie universalistisch miß-
braucht werden.
Schließlich wird der allgemeine Einwand des Subjektivismus in der Form ausge-
♦ sprochen: diese Philosophie kenne selbst die Symbole der Transzendenz nur als vom
Subjekt geschaffene Gebilde, lasse daher das Sein der Gottheit faktisch fallen, wie sie alle
Objektivität fallen lasse.
150 | Keinesfalls geschieht das in echter Philosophie. Philosophie kennt im Grunde alle
Phänomene als ihr relevant nur, sofern sie Chiffren der ihr vorhergehenden Wirklich-
keit der Transzendenz sein können. Sie ergreift in ihrem Suchen die Chiffren als mög-
liche vestigia dei, nicht Gott selbst in seiner Verborgenheit. Aber die Chiffren bedeu-
ten ihr etwas, sofern sie die Verborgenheit, die sie nicht enthüllen können, doch als
das letzte, eigentliche Sein anzeigen. -
Gegen Einwände kann Philosophie sich logisch nur in den seltenen Fällen wehren,
wo der Inhalt des Gesagten einer zwingend allgemeingültigen Feststellung ohne mit-
♦ gebrachte Substanz fähig ist. Sonst kann Philosophie immer nur positiv verfahren: sie
spricht und gibt sich kund in der Entfaltung. Wahre Philosophie ist ursprünglich un-
polemisch.221 Sie glaubt dem, woraus sie kommt und worauf sie geht, wartet auf die
Quelle in jedem Menschen. Sie kennt keinen Schutz und vertraut nur der Offenbarkeit
und Stille der Wahrheit, die sich in ihr ausspricht.
Vernunft und Existenz
ler Mitteilung, nicht im Sinne der Verwechslung allgemeingültiger und relativer wis-
senschaftlicher Richtigkeit mit unbedingter, geschichtlicher Wahrheit. Gerade diese
Philosophie vermag allein die Denkungsart echter Wissenschaft zu bewahren, zu be-
greifen und zu beseelen, damit für sich die Unwissenschaftlichkeit der intellektuellen
Spielerei, der verabsolutierten Wissenschaftserkenntnis und der täuschenden Unphi-
losophie zum Erlöschen zu bringen. Sie erwirkt die wirkliche Überwindung des leeren
Intellektualismus durch den existentiell gegründeten Verstand. - Die Philosophie ver-
langt vom Hörenden das entgegenkommende Selbstsein, das sie nicht zu geben (das
könnte nur ein Gott), sondern nur zu erwecken vermag. Ihr ist menschliches Den-
ken, das allein sie vollzieht, für den Andern immer nur Anlaß, noch nicht Erfüllung.
Ferner wirft man dieser Philosophie vor, sie sei individualistisch.
Das ist ein radikaler Irrtum. Die Alternativen der Kategorien, so auch die von in-
dividualistisch und universalistisch, sind auf der Ebene des Philosophierens als sich
ausschließende unanwendbar, weil in dieser Gestalt sie beide in die Irre führen. Die
Philosophie kann in ihren Formeln sowohl individualistisch wie universalistisch miß-
braucht werden.
Schließlich wird der allgemeine Einwand des Subjektivismus in der Form ausge-
♦ sprochen: diese Philosophie kenne selbst die Symbole der Transzendenz nur als vom
Subjekt geschaffene Gebilde, lasse daher das Sein der Gottheit faktisch fallen, wie sie alle
Objektivität fallen lasse.
150 | Keinesfalls geschieht das in echter Philosophie. Philosophie kennt im Grunde alle
Phänomene als ihr relevant nur, sofern sie Chiffren der ihr vorhergehenden Wirklich-
keit der Transzendenz sein können. Sie ergreift in ihrem Suchen die Chiffren als mög-
liche vestigia dei, nicht Gott selbst in seiner Verborgenheit. Aber die Chiffren bedeu-
ten ihr etwas, sofern sie die Verborgenheit, die sie nicht enthüllen können, doch als
das letzte, eigentliche Sein anzeigen. -
Gegen Einwände kann Philosophie sich logisch nur in den seltenen Fällen wehren,
wo der Inhalt des Gesagten einer zwingend allgemeingültigen Feststellung ohne mit-
♦ gebrachte Substanz fähig ist. Sonst kann Philosophie immer nur positiv verfahren: sie
spricht und gibt sich kund in der Entfaltung. Wahre Philosophie ist ursprünglich un-
polemisch.221 Sie glaubt dem, woraus sie kommt und worauf sie geht, wartet auf die
Quelle in jedem Menschen. Sie kennt keinen Schutz und vertraut nur der Offenbarkeit
und Stille der Wahrheit, die sich in ihr ausspricht.