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Existenzphilosophie
will sie im Erhellen zum Sein bringen, will ihm Sprache leihen und es nicht wie nichts
verschwinden lassen. Vernunft drängt dahin, wo immer Einheit durchbrochen wird,
um im Durchbruch noch eine Wahrheit dieses Durchbruchs zu erfassen und im Zer-
brechen den metaphysischen Bruch, das Zerreißen des Seins selbst, zu verwehren. Ver-
nunft, Ursprung der Ordnung, geht mit bei jedem die Ordnung Durchbrechenden; sie
bleibt das Geduldige - das Unablässige und Unendliche - vor allem Fremden, vor dem
Einbrechenden, vor dem Versagenden.
Vernunft ist daher der totale Kommunikationswille. Sie will allem, was Sprache wer-
den kann, allem, was ist, sich zuneigen, es zu bewahren.
50 | Vernunft sucht das Eine durch die Redlichkeit, welcher im Unterschied von Wahr-
heitsfanatismus eine grenzenlose Offenheit und Fragbarkeit eigen ist, und durch die
Gerechtigkeit, welche alles, was aus dem Ursprung ist, als es selbst zur Geltung kommen
lassen, wenn auch an seinen Grenzen scheitern lassen will. -
Vernunft ist kein eigener Ursprung als Gehalt, sondern wie der Ursprung, der aus der
einen Wahrheit des Umgreifenden schlechthin zu kommen scheint, dergestalt, daß
seiner Aufgeschlossenheit alle Ursprünge aller Weisen des Umgreifenden entgegen-
kommen, um unablässig auf das Eine bezogen und dadurch in Verbindung gebracht
zu werden.
So weist Vernunft auf die Quelle der Vernunft: sowohl auf das Unerreichbare jenes
Einen, das durch sie wirkt, wie auf das Andere der Ursprünge, die durch sie vernehm-
bar werden.
Vernunft ist das ständige Vordringen zum Anderen. Sie ist die Möglichkeit des uni-
versellen Mitlebens, Dabeiseins, des allgegenwärtigen Hörens dessen, was spricht und
dessen, was sie selbst erst sprechen macht.
Aber Vernunft ist nicht das gleichgültige Geltenlassen von Allem, was entgegen-
kommt, sondern das aufgeschlossene Sichangehenlassen. Sie erhellt nicht nur, um zu
wissen, sondern sie bleibt das Fragen, das wie ein Werben ist. Vernunft wird niemals
zum besitzenden Wissen, das sich notwendig begrenzt und fixiert, sondern bleibt die
unbegrenzte Aufgeschlossenheit.
In ihrem zum Einen drängenden Antrieb vermag Vernunft nicht nur zu verneh-
men, was ist, nicht nur sich angehen zu lassen, sondern sie bringt, worauf immer sie
trifft, in Bewegung. Weil sie fragt und Sprache verleiht, stiftet sie Unruhe. Daher ist Ver-
nunft die Ermöglichung aller Ursprünge, daß sie sich entfalten, daß sie sich aufschließen,
daß sie rein werden, daß sie sprechend werden und sich in Bezug setzen. Sie ermöglicht
51 die Echtheit der Konflikte und | Kämpfe, die in und zwischen den Weisen des Umgrei-
fenden auftreten und ihrerseits Quelle neuer Erfahrungen des Einen werden.
Vernunft, der Existenz verbunden, von der sie getragen wird, und ohne die sie ver-
sinken würde, ermöglicht ihrerseits die Wahrheit der Existenz, daß sie sich verwirkliche,
und daß sie sich offenbar werde.
Existenzphilosophie
will sie im Erhellen zum Sein bringen, will ihm Sprache leihen und es nicht wie nichts
verschwinden lassen. Vernunft drängt dahin, wo immer Einheit durchbrochen wird,
um im Durchbruch noch eine Wahrheit dieses Durchbruchs zu erfassen und im Zer-
brechen den metaphysischen Bruch, das Zerreißen des Seins selbst, zu verwehren. Ver-
nunft, Ursprung der Ordnung, geht mit bei jedem die Ordnung Durchbrechenden; sie
bleibt das Geduldige - das Unablässige und Unendliche - vor allem Fremden, vor dem
Einbrechenden, vor dem Versagenden.
Vernunft ist daher der totale Kommunikationswille. Sie will allem, was Sprache wer-
den kann, allem, was ist, sich zuneigen, es zu bewahren.
50 | Vernunft sucht das Eine durch die Redlichkeit, welcher im Unterschied von Wahr-
heitsfanatismus eine grenzenlose Offenheit und Fragbarkeit eigen ist, und durch die
Gerechtigkeit, welche alles, was aus dem Ursprung ist, als es selbst zur Geltung kommen
lassen, wenn auch an seinen Grenzen scheitern lassen will. -
Vernunft ist kein eigener Ursprung als Gehalt, sondern wie der Ursprung, der aus der
einen Wahrheit des Umgreifenden schlechthin zu kommen scheint, dergestalt, daß
seiner Aufgeschlossenheit alle Ursprünge aller Weisen des Umgreifenden entgegen-
kommen, um unablässig auf das Eine bezogen und dadurch in Verbindung gebracht
zu werden.
So weist Vernunft auf die Quelle der Vernunft: sowohl auf das Unerreichbare jenes
Einen, das durch sie wirkt, wie auf das Andere der Ursprünge, die durch sie vernehm-
bar werden.
Vernunft ist das ständige Vordringen zum Anderen. Sie ist die Möglichkeit des uni-
versellen Mitlebens, Dabeiseins, des allgegenwärtigen Hörens dessen, was spricht und
dessen, was sie selbst erst sprechen macht.
Aber Vernunft ist nicht das gleichgültige Geltenlassen von Allem, was entgegen-
kommt, sondern das aufgeschlossene Sichangehenlassen. Sie erhellt nicht nur, um zu
wissen, sondern sie bleibt das Fragen, das wie ein Werben ist. Vernunft wird niemals
zum besitzenden Wissen, das sich notwendig begrenzt und fixiert, sondern bleibt die
unbegrenzte Aufgeschlossenheit.
In ihrem zum Einen drängenden Antrieb vermag Vernunft nicht nur zu verneh-
men, was ist, nicht nur sich angehen zu lassen, sondern sie bringt, worauf immer sie
trifft, in Bewegung. Weil sie fragt und Sprache verleiht, stiftet sie Unruhe. Daher ist Ver-
nunft die Ermöglichung aller Ursprünge, daß sie sich entfalten, daß sie sich aufschließen,
daß sie rein werden, daß sie sprechend werden und sich in Bezug setzen. Sie ermöglicht
51 die Echtheit der Konflikte und | Kämpfe, die in und zwischen den Weisen des Umgrei-
fenden auftreten und ihrerseits Quelle neuer Erfahrungen des Einen werden.
Vernunft, der Existenz verbunden, von der sie getragen wird, und ohne die sie ver-
sinken würde, ermöglicht ihrerseits die Wahrheit der Existenz, daß sie sich verwirkliche,
und daß sie sich offenbar werde.