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Jaspers, Karl; Kaegi, Dominik [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 8): Schriften zur Existenzphilosophie — Basel: Schwabe Verlag, 2018

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69895#0225
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Anhang i: Karl Jaspers an Jean Wahl

Typoskript, paginiert S. I-VI
Durchschlag: DLA, A: Jaspers
Heidelberg, den 30. I. 38.
Sehr verehrter Herr Wahl!
[...]
Sie hatten vor einigen Wochen die Güte, mir Ihre Thesen über »Subjektivität und
Transcendenz« zu schicken. Es wird mir schwer, thesenartig zu antworten. Ich be-
schränke mich auf das, was Sie inbezug auf meine Philosophie sagen:
1) Meine Erhellung der Grenzsituationen setze, so schreiben Sie, mit dem Begriff
der Grenze auch die Idee einer Ganzheit als des Guten und Wahren voraus; diese Ganz-
heit jedoch könne in meiner Denkungsart eigentlich nicht von mir anerkannt wer-
den. Nun behaupte ich nirgends ein Wissen von allem Sein, sondern nur ein Wissen
von den »Weisen des Umgreifenden«, in denen Wissbarkeit je auf ursprünglich andere
Weise mir offenbar wird. Jede Weise des Umgreifenden - zuerst Dasein, Bewusstsein
überhaupt, Geist; dann Existenz - stösst auf die Grenze, die zu ihm gehört, und gerät
damit in die Situation, wo die Grenze durchbrochen werden kann in einen anderen
Raum, bis erst in der Transcendenz Ruhe möglich wird; diese Ruhe abera kann in kei-
ner Gewusstheit zum Besitz werden. (Den mein Philosophieren durchziehenden
Grundgedanken habe ich noch einmal in Frankfurter Vorlesungen zuammengefasst,
die ich mir gestatte Ihnen in kommender Woche zuzusenden. Falls Sie Lust haben,
mache ich aufmerksam auf S. 13-25, insbesondere aber auf S. 2gff. und weiter.) Grenze
ist also stets nur inbezug auf eine Weise des Seinsbewusstseins; nicht aber ist Grenze
absolut. Ganzheit ist ihrerseits von verschiedenem Sinn: als Vollendung, Einstim-
mung, Abschluss einer grenzenlos in sich bezogenen Harmonie; aber auch Ganzheit
ist jeweils nur inbezug auf eine Weise des Umgreifenden. In der Transcendenz hört sie
auf, ebenso wie ihr Gegenteil, da hier alles Sagbare nur inadäquates Gleichnis ist.
2) Dass ich im Gegensatz zu Kierkegaard in dieser, unserer Welt bleiben wolle, die-
ser Satz könnte missverständlich sein. Ich leugne zwar den Glauben an eine Transcen-
denz, der sich nicht in unserer Welt bekundet, vergewissert und bewährt. Ich leugne
aber nicht die Transcendenz und stehe betroffen vor der »Ausnahme«, als die Kierke-

a aber ms. Einf.
 
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