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Jaspers, Karl; Kaegi, Dominik [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 8): Schriften zur Existenzphilosophie — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69895#0257
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196

Stellenkommentar

appellieren: Sie sprechen aus, »was für mögliche Existenz wahres Sein ist« (Philosophie II,
15; vgl. Nachlaß zur Philosophischen Logik, 62 (Anm.): »Signa nannte ich in meiner >Philoso-
phie< Begriffe, die auf existentielle Möglichkeiten zielten«). Als Begriffe funktionieren auch
Signa generalisierend, sie klassifizieren Ereignisse, Haltungen oder Handlungsdispositio-
nen am »Leitfaden einer erscheinenden«, hier: psychologischen »Objektivität« (Der philo-
sophische Glaube angesichts der Offenbarung, KJG I/13, 216). Die so klassifizierten Ereignisse
oder Haltungen vergegenwärtigen aber zugleich Möglichkeiten jeweils meines Verhaltens;
Signa sind also Allgemeinbegriffe, die indexikalisch verwendet werden. Wie indexikalische
Ausdrücke sonst, muss man Signa, um sie zu verstehen, auf die Situation beziehen, nur
nicht präsentisch: in der, sondern projektiv: für die sie verwendet werden, d.h. auf die ei-
gene Situation möglicher Existenz. - Auch bei den »signa des Nietzscheschen Philosophie-
rens« kommt es nach Jaspers darauf an, dass das Denken »positiv in einen wirklichen An-
trieb sich übersetzt«, statt »in Simplifikationen« stecken zu bleiben (Nietzsche, 151, vgl. 122).
36 Forderung einer sich selbst noch in Frage stellenden Wahrhaftigkeit! Sowohl Kierkegaard
wie Nietzsche sieht Jaspers dem Risiko einer >hyperbolischen< Wahrhaftigkeit ausgesetzt,
welche die Idee der Wahrheit selbst in Zweifel zieht. »Sie sind Meister der Redlichkeit und
stellen Denkmethoden zur Verfügung, jede Wahrheit verschwinden zu lassen« (»Kierke-
gaard«, 308) - eine Dialektik, der sich Kierkegaard durch den Sprung in den Glauben, Nietz-
sche durch metaphysische Konstrukte: den Willen zur Macht oder die Lehre von der ewi-
gen Wiederkehr, entzogen habe. Jaspers seinerseits verbindet die Tugend der Redlichkeit
mit der Bereitschaft, Wahrheit anzuerkennen, wo sie entweder empirisch bestätigt oder phi-
losophisch erhellbar ist. Redlichkeit bedeutet für ihn, nach dem Vorbild Webers, letztlich
ein wissenschaftliches Ethos bzw. - erweitert auf alle »Formen des Wahrseins« - das Ethos
der philosophischen Logik, vgl. »Wesen und Wert der Wissenschaft«, 64, speziell zu Nietz-
sche: Nietzsche, 211-213 (»Selbstaufhebung des Wahrheitswillens«); »Nietzsche und Chris-
tentum«, 366-374, und den Abschnitt »Nietzsche« bei B. Williams: Wahrheit und Wahrhaf-
tigkeit, Frankfurt a.M. 2003 [dt.], 28-37.
37 S. Kierkegaard: Stadien auf dem Lebensweg. Mit Nachwort von Chr. Schrempf. Übersetzt von
Chr. Schrempf und W. Pfleiderer, Jena 1914, GWj 4, 8 (GW 9, 8; SKS 6, 16). - Das Lichten-
berg-Zitat aus: »Über Physiognomik; wider die Physiognomen. Zu Beförderung der Men-
schenliebe und Menschenkenntnis«, in: Schriften und Briefe. Dritter Band. Aufsätze, Ent-
würfe, Gedichte, Erklärung der Hogarthischen Kupferstiche. Hg. von W. Promies, München
1972,256-295, hier: 280 (»Solche Werke sind Spiegel; wenn ein Affe hinein guckt, kann kein
Apostel heraus sehen«).
38 F. Nietzsche: Ecce homo. Der Wille zur Macht. Erstes und Zweites Buch, Leipzig 1911, GOAj 15,
53f. (KSA 6,302): »Ich kenne einigermassen meine Vorrechte als Schriftsteller; in einzelnen
Fällen ist es mir auch bezeugt, wie sehr die Gewöhnung an meine Schriften den Geschmack
>verdirbt<. Man hält einfach andre Bücher nicht mehr aus, am wenigsten philosophische.
Es ist eine Auszeichnung ohne Gleichen, in diese vornehme und delikate Welt einzutreten,
- man darf dazu durchaus kein Deutscher sein; es ist zuletzt eine Auszeichnung, die man
sich verdient haben muss.«
39 Vgl. F. Nietzsche: Nachgelassene Werke, a.a.O., GOAj 14, 60: »Ich fand es unmöglich, dort
>Wahrheit< zu lehren, wo die Denkweise niedrig ist.« - (KSA 11, 143: »die >Wahrheit< zu leh-
ren« statt: »dort >Wahrheit< zu lehren«).
 
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