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Jaspers, Karl; Kaegi, Dominik [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 8): Schriften zur Existenzphilosophie — Basel: Schwabe Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.69895#0270
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Gottes ist, wie er in seinem ewigen Wesen vor der Erschaffung der Natur und eines endli-
chen Geistes ist.«
150 Existentialismus! zuerst bei W. Moog (Logik, Psychologie und Psychologismus. Wissenschafts-
systematische Untersuchungen, Halle a.d. Saale 1919, i88ff.) im Sinne eines Realismus, der die
Geltung logischer Gesetze in »Existierendem«, z.B. psychischen Urteilsakten oder der Öko-
nomie des Denkens, begründet. Zum »subjektivistischen Existentialismus« zählt Moog ne-
ben dem Psychologismus auch den Fiktionalismus Vaihingers und (als »radikalste« Vari-
ante) Nietzsches (ebd., 190).Jaspers kannte diese Begriffsvorgeschichte offensichtlich nicht
- die in der angelsächsischen Tradition noch weiter zurück reicht (vgl. B. Bosanquet: »Pre-
sidential Address: On an Essential Distinction in Theories of Experience«, Proceedings ofthe
Aristotelian Society 3 (1894/95) 3-12 , dort S. 10 zu einer Kritik am Panlogismus, »founded on
what may be called an Existentialist or Individualist basis«) -, wenn er die Einführung des
Terminus »Existentialismus« für sich reklamiert (vgl. auch U. Thurnherr: »>Existenzphilo-
sophie< und >Existenzialismus< oder Kurze Geschichte >eines< Etiketts«, in: Lexikon Existen-
zialismus und Existenzphilosophie, hg. von U. Thurnherr und A. Hügli, Darmstadt 2007, 9).
Unabhängig davon spricht Plessner bereits 1934 in einer Vorlesungsankündigung kritisch
vom »Existentialismus« Heideggers und Jaspers', »der den Menschen aus der Fläche des or-
ganischen Seins und der Natur herausreisst und ihn in der Sphäre der Lebensentscheidung
vereinsamt« (zit. nach: C. Dietze: Nachgeholtes Leben. Helmuth Plessner 1892-1985, Göttin-
gen 22007, 133, Anm. 11) - was verdeutlicht, dass sich der »Existentialismus« auch im äußer-
logischen Kontext schon vor Vernunft und Existenz etabliert hatte.
Tatsächlich ist das gesamte Szenario erheblich komplexer, wie Edward Baring gezeigt
hat (»Anxiety in Translation: Naming Existentialism before Sartre«, History ofEuropean Ideas
41 (2015) 470-488). Im Gegensatz zum heute geläufigen Kontrast zwischen Existenzphilo-
sophie und Existentialismus war »Existentialismus« ursprünglich der weitere Begriff - und
dies zweifach: Ende der 1920er Jahre in Deutschland und Ende der i93oer Jahre in Frank-
reich. Im deutschsprachigen Raum tritt »Existentialismus« zunächst als Sammelbegriff für
die philosophische, literarische und v.a. die (dialektisch-)theologische Rede von Existenz
auf (vgl. ebd., 475 mit Verweis u.a. auf S. Marck und E. Spranger). Nachdem sich Heideg-
gers Unterscheidung zwischen »existentiell« (>ontisch<) und »existential« (>ontologisch<)
durchsetzt (vgl. Sein und Zeit, GA 2, 17), ist dieser Sammelbegriff wegen der ungewollten
Nähe von »Existentialismus« zu »Existentialanalyse« vom Tisch; übrig bleibt eine Dreitei-
lung: »In the German-speaking world of mid-i93os, we can identify three competing
strands proclaiming the priority of existence: first, a group of dialectical theologians who
emphasised >existentielle< analyses, and who remained sceptical about human philosophy;
second, a number of Existentialphilosophen, who emphasised the ontological implication
of existence; and finally, the Existenzphilosophen, who while embracing philosophy,
nonetheless resisted ontological readings« (»Anxiety in Translation«, 476). Entlang dieser
Differenzierungen entwickeln sich im Französischen und Englischen neue Sammelbegriffe
(»philosophie existentielle«, »philosophy of existence«) und dadurch z.T. neue Fronten.
Im Zentrum stand besonders der Versuch Jean Wahls, die existentielle Philosophie quasi
zu personalisieren und gegen die Abstraktionen der Existenzphilosophie auszuspielen (vgl.
unten Nr. 305 und den Diskussionsbeitrag von Levinas in J. Wahls Petite Histoire de
»L'Existentialisme«, Paris 1947, 86: »On peut dire que l'existentialisme consiste ä sentir et ä
 
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