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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0043
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Grundsätze des Philosophierens

ren eigenen Charakter. Moralisch meint der Mensch seinen Entschluss denkend als
den richtigen zu begründen. Ethisch weiss er sich aus der Verkehrung durch eine un-
begreifliche Wiedergeburt seines guten Willens wiederhergestellt. Metaphysisch wird
er sich bewusst, sich selbst geschenkt zu sein von der Transzendenz in der Erfüllung
seines Liebenkönnens. Er wählt das Richtige, wird wahr in seinen Beweggründen, lebt
aus der Liebe. Erst in der Einheit dieses Dreifachen geschieht die Verwirklichung des
existentiellen Entschlusses.
Die drei Stufen sind aneinander gebunden derart, dass die früheren in ihrer Ver-
wirklichung von den späteren abhängen. Die Einfachheit des Guten hat ihren verläss-
lichen Grund erst in dem Gehalt des Guten der dritten Stufe. Erst von daher kann die
Unbedingtheit auf zweiter und erster Stufe, welche für sich nur eine Form bliebe, er-
füllt werden. Denn ohne den Gehalt der Liebe keine Reinheit der Motive und keine in-
haltliche Erfüllung des moralischen Gesetzes.
Ohne die Reinheit der zweiten Stufe wird die Pflichterfüllung der ersten Stufe ge-
waltsam, selbsttäuschend, zu einem möglichen Mittel von Hass und Vernichtung, zum
Richtertum gegen andere.
Ohne die Liebe der dritten Stufe wird weder die Reinheit der zweiten noch der Ge-
halt der ersten Stufe verwirklicht, weil nur die Substanz der Liebe die Kraft des Ent-
schlusses ermöglicht.
Der existentielle Entschluss verwirklicht sich durch alle drei Stufen in eins. In Be-
schränkung auf eine Stufe geht er verloren. Seine Unbedingtheit ist die eigentliche Un-
bedingtheit des Guten. Ihr entströmt die Kraft, welche den Vernichtungswillen des
Hasses aufzulösen vermag, die Reinheit zur Fleckenlosigkeit treibt, die Pflicht mit Ge-
halt erfüllt.
Der Grund der Liebe, auf dem alles Wollen des Guten wächst, ist eins mit dem Wil-
len zur Wirklichkeit. Was ich liebe, von dem will ich, dass es sei. Was eigentlich ist, das
kann ich nicht erblicken, ohne es zu lieben. Die Fülle der gegenwärtig werdenden
Wirklichkeit ist die Fülle der Liebe. Daher ist das Gute gebunden an das Seinsbewusst-
sein im Ganzen. Wie mir Wirklichkeit aus dem metaphysischen Grunde fühlbar wird,
das ist die Weise, wie ich liebe, und der Gehalt meiner Liebe.
Aber nun ist das Erstaunliche, dass die absolute Alternative von gut und böse zwei-
deutig werden kann. Hier liegt eine ausserordentliche und gefährliche Frage. Denn
wenn hier kein verlässlicher Boden ist, so schwankt alles. Es ist zu versuchen, diese
Frage rückhaltlos angesichts der Tatbestände zu stellen und doch die Klarheit von gut
und böse zu bewahren.
Weil das Seinsbewusstsein im Ganzen das Umgreifende der Liebe und der Grund
alles Ergreifens des Guten ist, weil aber dieses Seinsbewusstsein im Ganzen in Bewe-
gung ist und in der Zeit nicht zum abgeschlossenen und nicht zum endgültigen Besitz
wird, so wird eine Zweideutigkeit von gut und böse fühlbar überall, wo an der Grenze
 
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