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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0096
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Grundsätze des Philosophierens

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ständnis allen philosophischen Glauben und alles philosophisch erhellende Denken
in sich schliesst.
d. Die Weisen des Umgreifenden.85 - Wir entwerfen kurz die Weisen des Umgrei-
fenden. Dabei wird in einem unvermeidlich gegenständlichen Denken nicht das Ge-
genständliche als solches gemeint, sondern in seinem Medium der jeweilige Raum des
Umgreifenden vergegenwärtigt:
Das Umgreifende ist entweder das Sein an sich, von dem wir umfangen sind, oder
es ist das Sein, das wir sind.
Das Sein, das uns umfängt, ist Welt und Transcendenz.
Das Sein, das wir sind, ist Dasein, Bewusstsein überhaupt, Geist, ist Vernunft und
Existenz.
Erstens: Das Sein, das uns umfängt. - Dieses Sein selber, das ist, auch ohne dass wir
sind, und das uns umfängt, ohne dass wir es sind, ist zweifacher Art: - es ist die Welt,
d.i. das Sein, von dem auch wir ein Teil sind, weil eine Seite unseres Wesens, unsere Er-
scheinung, ein Teil der Welt ist, wenn die Welt auch im Ganzen als Nicht-wir-sein uns
umgreift; - es ist die Transcendenz, d.i. das Sein, das das uns schlechthin Andere ist,
an dem wir keinen Teil haben, aber in dem wir gegründet sind, und auf das wir uns be-
ziehen.
aa. Welt: Die Welt im Ganzen ist, wie Kant begriff, kein Gegenstand, sondern eine
Idee. Was wir erkennen, ist in der Welt, ist nie die Welt. Wenn wir von der Welt im Gan-
zen als einem Gegenstand reden und mit ihr erkennend operieren, so können wir das
nur scheinbar, und geraten in notwendige Widersprüche.
bb. Transcendenz: Transcendenz ist das Sein, das niemals Welt wird, aber durch das
Sein in der Welt gleichsam spricht. Transcendenz ist nur dann, wenn die Welt nicht
aus sich besteht, nicht in sich selbst gegründet ist, sondern über sich hinaus weist. Ist
die Welt alles, so ist keine Transcendenz. Ist Transcendenz, so liegt in dem ständig ver-
schwindenden Weltsein ein möglicher Zeiger auf sie. Mit dem Anderen des Weltseins
umfängt uns die in der Welt sprechende Transcendenz, und in allem, was wir sind und
sein können, ist Grenze und Grund die Transcendenz.
Zweitens: Das Sein, das wir sind. - Wir sind mehr, als das ist, als was wir uns jeweils
erkennen. Der Mensch ist mehr, als er von sich weiss.86 Aber die Weisen, in denen wir
unseres Seins bewusst werden[,] und die Weisen, als die wir unser Sein sehen, sind
mehrfach:
aa. Wir sind Dasein: Wir leben in einer Welt, wie alles Lebendige. Das Umgreifende
dieses Lebendigseins wird uns Gegenstand in den Hervorbringungen des Lebens, in
Leibesgestalt, physiologischen Funktionen, erblich begründetem Formbildungszu-
sammenhang. Dazu bringt der Mensch in Werkzeugen, Gebilden, Taten sich selber ge-
genständlich hervor. Aber weder im Biologischen, noch im Technischen, noch in Ta-
ten erschöpft sich das lebendige Dasein des Menschen, sondern das Umgreifende
 
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