Grundsätze des Philosophierens
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Dem neuen Erkenntnisdrang ist die Welt auch nicht mehr schlechthin schön.
Diese Erkenntnis geht auf das Schöne und auf das Hässliche, auf das Gute und auf das
Schlechte. Zwar gilt am Ende: omne ens est bonum,116 nämlich als Geschaffensein
durch Gott. Dieses Gutsein ist aber nicht mehr die griechische, sichtbare und sich ge-
nügende Schönheit, sondern es ist nur gegenwärtig in der Liebe zu allem Daseienden
als von Gott Geschaffenem, infolgedessen auch im Zutrauen zum Sinn der Forschung;
das Wissen um das Geschöpfsein alles Weltlichen gibt vor den Abgründen der Wirk-
lichkeit die Ruhe in der Unruhe des grenzenlos infragestellenden und damit voran-
dringenden Forschens.
Das erkannte und erkennbare Weltsein ist als Geschaffensein aber doch ein Sein
zweiten Ranges. Daher ist die Welt an sich bodenlos, denn sie hat ihren Grund in ei-
nem Andern, im Schöpfer; sie ist an sich nicht geschlossen und daher auch nicht in
sich schliessbar für die Erkenntnis. In allem Erkennen zeigt sich das Weltsein nur rela-
tiv in Bezügen: von Daseiendem zu anderem Daseienden, vom Gegenstand auf das Er-
kennen. Was auch immer erkannt wird, es ist gleichsam perspektivisch erkannt. Das
Weltsein ist, je deutlicher es erkannt wird, zerrissen in sich, lässt sich nirgends als end-
giltige Wirklichkeit fassen, weist stets auf ein Anderes. -
Der Gedanke vom Weltsein als Geschaffensein mit seinen Folgen würde aber nicht
ausgereicht haben, unsere Wissenschaft in Gang zu bringen. Dazu kommt ein Zweites:
Wenn Gott der Weltschöpfer ist, so wird er gleichsam haftbar gemacht dafür, wie die
Welt ist, und für das, was in ihr geschieht. Die Frage der Theodicee, der Rechtfertigung
Gottes, - wiederum für sich allein, etwa in Gestalt der Gedanken des Hiob,117 keineswegs
genügender Grund des Forschungsantriebes -, wird zu einem Ringen um die wahre Gott-
heit im Wissen um die Weltwirklichkeit. Dieser Gott mit seinem unbedingten Wahr-
heitsanspruch will nicht durch Illusionen ergriffen werden. Er verwirft die Theologen,
die Hiob durch gedanklichen Schwindel trösten und ermahnen wollen. Dieser Gott ver-
langt das Wissen, dessen Inhalt immer wieder gegen ihn selbst Anklage zu erheben
scheint. Der universale und zugleich unbestechliche Forschungsdrang erwächst dieser
Spannung, diesem Ringen mit dem Gottesgedanken selbst. Aus Ehrfurcht vor Gott mit
seiner Forderung zu uneingeschränkter Wahrhaftigkeit will dieser Forschungsdrang die
Weltwirklichkeit entschleiern. Er wird in diesem Sinn ehrfurchtslos vor schlechthin je-
der in der Welt vorkommenden Wirklichkeit, die erkannt werden soll, weil sie irgend-
wie von Gott kommt, gerade auch dann, wenn sie gegen Gott zu zeugen scheint.
Dieses Ringen geht in eins mit dem Kampf des forschenden Menschen gegen das
Eigne, gegen das Liebste und Wünschbarste, gegen die Ideale und Grundsätze. Sie alle
müssen, fraglich geworden, geprüft und neu bewährt oder verwandelt werden. Wie
Gott nicht wahrhaft geglaubt wird, wenn er nicht die Fragen erträgt, die aus den Tat-
beständen der Wirklichkeit erwachsen, und wie das Gottsuchen immer zugleich ein
Schwermachen im Verjagen der Illusionen ist, so ist der echte Forschungswille zu-
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Dem neuen Erkenntnisdrang ist die Welt auch nicht mehr schlechthin schön.
Diese Erkenntnis geht auf das Schöne und auf das Hässliche, auf das Gute und auf das
Schlechte. Zwar gilt am Ende: omne ens est bonum,116 nämlich als Geschaffensein
durch Gott. Dieses Gutsein ist aber nicht mehr die griechische, sichtbare und sich ge-
nügende Schönheit, sondern es ist nur gegenwärtig in der Liebe zu allem Daseienden
als von Gott Geschaffenem, infolgedessen auch im Zutrauen zum Sinn der Forschung;
das Wissen um das Geschöpfsein alles Weltlichen gibt vor den Abgründen der Wirk-
lichkeit die Ruhe in der Unruhe des grenzenlos infragestellenden und damit voran-
dringenden Forschens.
Das erkannte und erkennbare Weltsein ist als Geschaffensein aber doch ein Sein
zweiten Ranges. Daher ist die Welt an sich bodenlos, denn sie hat ihren Grund in ei-
nem Andern, im Schöpfer; sie ist an sich nicht geschlossen und daher auch nicht in
sich schliessbar für die Erkenntnis. In allem Erkennen zeigt sich das Weltsein nur rela-
tiv in Bezügen: von Daseiendem zu anderem Daseienden, vom Gegenstand auf das Er-
kennen. Was auch immer erkannt wird, es ist gleichsam perspektivisch erkannt. Das
Weltsein ist, je deutlicher es erkannt wird, zerrissen in sich, lässt sich nirgends als end-
giltige Wirklichkeit fassen, weist stets auf ein Anderes. -
Der Gedanke vom Weltsein als Geschaffensein mit seinen Folgen würde aber nicht
ausgereicht haben, unsere Wissenschaft in Gang zu bringen. Dazu kommt ein Zweites:
Wenn Gott der Weltschöpfer ist, so wird er gleichsam haftbar gemacht dafür, wie die
Welt ist, und für das, was in ihr geschieht. Die Frage der Theodicee, der Rechtfertigung
Gottes, - wiederum für sich allein, etwa in Gestalt der Gedanken des Hiob,117 keineswegs
genügender Grund des Forschungsantriebes -, wird zu einem Ringen um die wahre Gott-
heit im Wissen um die Weltwirklichkeit. Dieser Gott mit seinem unbedingten Wahr-
heitsanspruch will nicht durch Illusionen ergriffen werden. Er verwirft die Theologen,
die Hiob durch gedanklichen Schwindel trösten und ermahnen wollen. Dieser Gott ver-
langt das Wissen, dessen Inhalt immer wieder gegen ihn selbst Anklage zu erheben
scheint. Der universale und zugleich unbestechliche Forschungsdrang erwächst dieser
Spannung, diesem Ringen mit dem Gottesgedanken selbst. Aus Ehrfurcht vor Gott mit
seiner Forderung zu uneingeschränkter Wahrhaftigkeit will dieser Forschungsdrang die
Weltwirklichkeit entschleiern. Er wird in diesem Sinn ehrfurchtslos vor schlechthin je-
der in der Welt vorkommenden Wirklichkeit, die erkannt werden soll, weil sie irgend-
wie von Gott kommt, gerade auch dann, wenn sie gegen Gott zu zeugen scheint.
Dieses Ringen geht in eins mit dem Kampf des forschenden Menschen gegen das
Eigne, gegen das Liebste und Wünschbarste, gegen die Ideale und Grundsätze. Sie alle
müssen, fraglich geworden, geprüft und neu bewährt oder verwandelt werden. Wie
Gott nicht wahrhaft geglaubt wird, wenn er nicht die Fragen erträgt, die aus den Tat-
beständen der Wirklichkeit erwachsen, und wie das Gottsuchen immer zugleich ein
Schwermachen im Verjagen der Illusionen ist, so ist der echte Forschungswille zu-