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Grundsätze des Philosophierens
sen an der Erfahrung einer Kritik unterwirft. Dann ist ein radikaler Unterschied zwischen
dem Leblosen, das ohne Innerlichkeit als ein fremdes Geschehen, ohne Verwandtschaft,
in restloser Distanz, in reiner Objektivität erforscht wird, und dem Lebendigen, dessen
Kriterien in objektiv nachweisende Veranstaltungen gelegt werden, durch die am Ende
das Leben doch immer wieder durch eine specifische Unmittelbarkeit des Erfassens un-
verwechselbar wahrgenommen wird. Diese Wahrnehmung selber erhellt sich in beson-
deren Kategorien, welche die Objektivierung des Lebendigen ermöglichen.
Dabei bleibt Ausgangspunkt und Ende der Tatbestand des Lebens, der in Katego-
rien des Leblosen immer ungenügend ergriffen ist. Man kann sprechen von inneren
Antrieben, von sinnhaft gerichtetem Geschehen, von der Gestalthaftigkeit der mor-
phologischen und zeitlichen Zusammenhänge, von den Ganzheiten, von der teleolo-
gischen Struktur, und man findet nirgends einen Abschluss: so sind alle Zweckzusam-
menhänge eingebettet in weitere, sind unvollendbar und unendlich. Biologie ist
entweder die Wissenschaft, welche diese Tatbestände vor Augen führt, die in ihrer Fülle
garnicht ohne weiteres vor Augen liegen; oder sie ist die Wissenschaft, die versucht,
das Zustandekommen dieser Tatbestände zu erklären. Umfang und Tiefe des Erklärens
hängt ab von der Klarheit der vorher bestimmten Tatbestände. Die biologische Frage-
stellung wurzelt in der Auffassung dieser Tatbestände des Lebens, die erklärende Ant-
wort sucht die Causalzusammenhänge in Kategorien des Leblosen. Dies logisch ver-
wickelte Verhältnis führt immer wieder zu typischen Irrungen.
i. Die Objektivierungen des Lebendigen: Das Leben ist als jeweiliger Leib ein Kör-
per in der Welt, ist Materie, und ist soweit ein Gegenstand der Physik und Chemie. Die
Forschung kann die lebendige Materie erforschen wie ein Objekt der das Leblose be-
greifenden Naturwissenschaft. Dann hört aber das Lebendige auf, lebendig zu sein; für
solche Forschung ist kein Unterschied zwischen dem Leblosen und Lebendigen. Ob
Hormone oder Vitamine untersucht werden, ob Antigene und alle die bisher nur mit
biologischen Reaktionen verificierbaren Stoffe, es ist das Objekt im Princip nicht an-
ders wie ein chemisches Objekt sonst. Physik und Chemie finden ihre Anwendung in
der Biologie, indem sie Vorgänge und Stoffe, welche Mittel und Hervorbringungen des
Lebens sind, untersucht wie leblose Erscheinungen. Dabei stösst sie auf Tatsachen, die
ihr ohne das Leben nie zugänglich geworden wären, die sie aber, nachdem sie einmal
da sind, auch ohne das Leben begreift; so war es mit dem Harnstoff, der bis dahin als
ein Produkt des Lebens galt und dann von Wöhler aus leblosen Stoffen synthetisch
dargestellt wurde; damit begann diese ausserordentlich ergiebige Forschungsrichtung,
die als Biochemie Einblicke in die Materie, welche das Leben braucht, gegeben hat.142
Sie bewahrt ihren Sinn auch dann, wenn sie auf ihrem Wege bis dahin nur biologisch
fassliche Reaktionen als ein Mittel benutzt.
Eine zweite Objektivierung geschieht in der Untersuchung der Funktionen des Le-
bens, welche in Kategorien der Physik und ihrer Teilgebiete unter Benutzung der Ergeb-
Grundsätze des Philosophierens
sen an der Erfahrung einer Kritik unterwirft. Dann ist ein radikaler Unterschied zwischen
dem Leblosen, das ohne Innerlichkeit als ein fremdes Geschehen, ohne Verwandtschaft,
in restloser Distanz, in reiner Objektivität erforscht wird, und dem Lebendigen, dessen
Kriterien in objektiv nachweisende Veranstaltungen gelegt werden, durch die am Ende
das Leben doch immer wieder durch eine specifische Unmittelbarkeit des Erfassens un-
verwechselbar wahrgenommen wird. Diese Wahrnehmung selber erhellt sich in beson-
deren Kategorien, welche die Objektivierung des Lebendigen ermöglichen.
Dabei bleibt Ausgangspunkt und Ende der Tatbestand des Lebens, der in Katego-
rien des Leblosen immer ungenügend ergriffen ist. Man kann sprechen von inneren
Antrieben, von sinnhaft gerichtetem Geschehen, von der Gestalthaftigkeit der mor-
phologischen und zeitlichen Zusammenhänge, von den Ganzheiten, von der teleolo-
gischen Struktur, und man findet nirgends einen Abschluss: so sind alle Zweckzusam-
menhänge eingebettet in weitere, sind unvollendbar und unendlich. Biologie ist
entweder die Wissenschaft, welche diese Tatbestände vor Augen führt, die in ihrer Fülle
garnicht ohne weiteres vor Augen liegen; oder sie ist die Wissenschaft, die versucht,
das Zustandekommen dieser Tatbestände zu erklären. Umfang und Tiefe des Erklärens
hängt ab von der Klarheit der vorher bestimmten Tatbestände. Die biologische Frage-
stellung wurzelt in der Auffassung dieser Tatbestände des Lebens, die erklärende Ant-
wort sucht die Causalzusammenhänge in Kategorien des Leblosen. Dies logisch ver-
wickelte Verhältnis führt immer wieder zu typischen Irrungen.
i. Die Objektivierungen des Lebendigen: Das Leben ist als jeweiliger Leib ein Kör-
per in der Welt, ist Materie, und ist soweit ein Gegenstand der Physik und Chemie. Die
Forschung kann die lebendige Materie erforschen wie ein Objekt der das Leblose be-
greifenden Naturwissenschaft. Dann hört aber das Lebendige auf, lebendig zu sein; für
solche Forschung ist kein Unterschied zwischen dem Leblosen und Lebendigen. Ob
Hormone oder Vitamine untersucht werden, ob Antigene und alle die bisher nur mit
biologischen Reaktionen verificierbaren Stoffe, es ist das Objekt im Princip nicht an-
ders wie ein chemisches Objekt sonst. Physik und Chemie finden ihre Anwendung in
der Biologie, indem sie Vorgänge und Stoffe, welche Mittel und Hervorbringungen des
Lebens sind, untersucht wie leblose Erscheinungen. Dabei stösst sie auf Tatsachen, die
ihr ohne das Leben nie zugänglich geworden wären, die sie aber, nachdem sie einmal
da sind, auch ohne das Leben begreift; so war es mit dem Harnstoff, der bis dahin als
ein Produkt des Lebens galt und dann von Wöhler aus leblosen Stoffen synthetisch
dargestellt wurde; damit begann diese ausserordentlich ergiebige Forschungsrichtung,
die als Biochemie Einblicke in die Materie, welche das Leben braucht, gegeben hat.142
Sie bewahrt ihren Sinn auch dann, wenn sie auf ihrem Wege bis dahin nur biologisch
fassliche Reaktionen als ein Mittel benutzt.
Eine zweite Objektivierung geschieht in der Untersuchung der Funktionen des Le-
bens, welche in Kategorien der Physik und ihrer Teilgebiete unter Benutzung der Ergeb-