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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0190
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Grundsätze des Philosophierens

187

3. Erkennen als Vermittlung zwischen Subjekt und Objekt: In der Spaltung von Sub-
jekt und Objekt ist Erkennen ein Process, in dem beide an einander gebunden sind.
Alle Operationen des Erkennens, ob beobachtend, experimentell, gedanklich entwer-
fend, sind aufzufassen als Vermittlungen zwischen Objekt und Subjekt, sofern man
vorher beide getrennt gedacht hat. Diese Vermittlungen sind aber nur darum möglich,
weil Subjekt und Objekt unlösbar zusammengehörig, in der Spaltung polar, nicht ein
jedes für sich da sind. Erkennen ist daher die Klärung, in der zugleich mit dem Objekt
auch das Subjekt sich in seinem Gehalte zur Klarheit entwickelt.
Fragt man nach der Wahrheit des objektiven Erkennens, so gilt darum, dass die Ob-
jektivität immer zugleich in der Art der Subjektivität begründet liegt, nicht aber an
sich und absolut besteht. Dem apriori (d.h. der Subjektivität, welche Bedingung der
jeweiligen Objektivität ist) des Bewusstseins überhaupt treten zur Seite ein durchaus
anderes, nicht in gleichem Sinne allgemeingiltiges apriori des Daseins und des Gei-
stes, und schliesslich der Existenz.
Subjektivität und Objektivität sind als je zusammengehörende in der Spaltung
durch eine Vermittlung zwischen Subjekt und Objekt sich dann klar geworden, wenn
das Subjekt sich nach dem zu ihm gehörenden Objekt, das Objekt nach dem zu ihm
gehörenden Subjekt richtet. Geschieht das nicht, dann verkehren sich Subjekt und
Objekt, statt sich zu vermitteln, in sich gegenseitig unangemessene Formen. Eine
schlechte Subjektivität und eine schlechte Objektivität sind Erscheinung des Unwahr-
gewordenseins in der Spaltung.
Von »schlechter Subjektivität« spricht man als von einer Störung und Verfälschung
der objektiven Wahrheit. Das bedeutet, dass in einer Subjekt-Objekt-Spaltung das Sub-
jekt sich nicht nach dem ihm zugehörenden Objekt richtet. Man misst die Subjekt-Ob-
jektivitäten aneinander: Bewusstsein überhaupt, Dasein, Geist, Existenz. Dann ist
»schlechte Subjektivität« etwa dort, wo das Bewusstsein überhaupt gezwungen wird,
durch Einflüsse des Daseins unrichtig zu denken, wo der Geist nicht seinen reinen Ideen
folgt, die Existenz nicht auf Transcendenz bezogen bleibt. Das geschieht, wenn in ei-
nem Umgreifenden Motive aus anderen Umgreifenden, statt eingebaut zu werden, herr-
schend werden.
Von »schlechter Objektivität« spricht man als von einer Verfälschung der Wahr-
heit, weil sie des zu ihr gehörenden Vollzugs der Subjektivität entbehrt. Daher ist sie
leer, ruinös, verantwortungslos. Allgemein lässt sich sagen, dass falsche Objektivität
überall da vorkommt, wo die Objektivität eines Umgreifenden als absolut giltig für an-
deres und alles Umgreifende behauptet und beansprucht wird.
4. Die Aufgabe eines Entwurfs der Subjektivitäten mit den zu ihnen gehörenden
Objektivitäten: Die grundsätzliche Einsicht in die Subjekt-Objekt-Beziehung als einer
vielfachen Möglichkeit führt zur Aufgabe, die Subjektivitäten und die zu ihnen gehö-
renden Objekte systematisch zu vergegenwärtigen. Die Wahrheit der Grundeinsicht
 
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