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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0191
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188

Grundsätze des Philosophierens

darf nicht verwechselt werden mit dem Gelingen oder Misslingen dieses Entwurfes.
Die Grundeinsicht liegt in Indien seit Jahrtausenden und bei Kant in voller Klarheit
vor. Aber die Durchführung ist fragwürdiger, beweglicher und correkturbedürftiger als
die Grundeinsicht selber.
Einen solchen Entwurf kann man befragen: Wie ist er begründet, woraus und auf
welchem Wege ist er methodisch gewonnen? Ist es nicht in neuer Gestalt der alte Irr-
tum der Ontologie, nämlich ein Entwurf des Seins im Ganzen aus den Elementen, die
es aufbauen? Warum überhaupt ein solcher Entwurf? Fördert er die Erkenntnis, dient
er der Klarheit des wissenschaftlichen Wissens? Nur eine durchgeführte philosophi-
sche Logik kann sowohl den Entwurf geben wie diese Fragen beantworten. Hier müs-
sen wir uns auf den blossen Hinweis beschränken.
Für den Entwurf sind drei Voraussetzungen notwendig:
1) Abwehr sowohl des einen Weltbilds wie der Welten aus Meditationsstufen: Bei-
des wurde soeben erörtert. Das eine Weltbild entspringt einer Verabsolutierung des
Bewusstseins überhaupt, als ob dieses nicht nur die selber leere und substanzlose Form
des Wissens sei, sondern die Totalität der Welt in sich schliesse. Die Welten der Medi-
tationsstufen haben keinen eindeutigen realen Bezug auf die Realitäten, welche im
Umgreifenden auftreten, das wir sind als Dasein, Bewusstsein überhaupt, Geist, Exi-
stenz; sie sind nicht zur Einheit einer allgemeinen und allgemeingiltigen Erfahrung
zu bringen.
2) Untersuchung der Wissenschaften nach dem Subjekt, für das und durch das je-
weils das Material gilt, welches diese Erkenntnis des Bewusstseins überhaupt erfüllt: In
jeder Wissenschaft gibt das Subjekt des umgreifenden Bewusstseins überhaupt die For-
men. Das Material aber der wissenschaftlichen Erkenntnis erwächst im Umgreifen-
den, das ich bin als Dasein, Geist, Existenz, je nach dem Gegenstand, der erkannt wer-
den soll.
Das Material der Physik ist wesentlich die durch Sinneswahrnehmung an Appara-
ten gewonnene Messung, in den Naturwissenschaften sonst die sinnliche Beobach-
tung, d.h. ich als sinnliches Dasein bin unerlässliche Quelle des Materials. Das Mini-
mum von Sinnlichkeit, das jedermann zur Verfügung steht, darf nicht darüber
täuschen, dass auch hier schon ein Daseinsmaterial für Erkenntnis unerlässlich ist.
Das Material der Geisteswissenschaften wird im verstehenden Anschauen mensch-
licher Erfahrung gewonnen, d.h. ich als Geist bin die Quelle des Materials und als mög-
liche Existenz der Ursprung des Auffassens von Gewicht und Ernst in dem erkannten
Gegenstand. Die Tiefe von geistigen und existentiellen Erfahrungsmöglichkeiten ist
Ursprung des Materials etwa von Kunst- und Religionswissenschaft; dies hat zur Folge
die enormena Niveaudifferenzen der Forscher je nach dem, was ihnen zugänglich ist,

enormen nach der Abschrift A. F. statt enorme im Ms.
 
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