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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0198
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Grundsätze des Philosophierens

195

bb. Das Allgemeine des Naturseins:
Es gibt die kategorialen Unentrinnbarkeiten: Das Natursein steht in Quantität und
Qualität, ist sprunghaft (diskret) und kontinuierlich usw. Eine Kategorienlehre zeigt
methodisch und systematisch diese Kategorien. Wo sie jeweils gelten, nicht gelten,
zeigt die Erfahrung. Keine gilt absolut, alle irgendwo. Es ist als[o] zweierlei: sich über
kategoriale Grundformen und Zusammenhänge klar zu werden oder die Geltung von
Kategorien in bestimmten Erfahrungsgebieten aufzufinden und zu widerlegen. Aus
den kategorialen Vergegenwärtigungen des Möglichen folgt für die empirische Er-
kenntnis noch nichts, aber empirische Erkenntnis gelingt nur durch klare Kategorien.
Wo das Kriterium der Bestätigung oder Verwerfung durch bestimmte Beobachtungen
äusser Betracht bleibt, gehen die Probleme aus empirischen und theoretischen über
in kategoriale und logische. Sofern diese letzteren zu den allgemeinsten Grundstruk-
turen alles Seienden kommen, klären sie zwar unsere Auffassung, aber in diesen Grund-
strukturen ausgesprochene Erkenntnisse sind empirisch unbestimmt trotz ihrer allge-
meinen und logischen Bestimmtheit, und sie sind, gemessen am Gehalt empirischer
Erkenntnis, für diese trivial. So z.B. wenn ich sage, etwas sei anders und unterschieden
(das ist alles Bestimmte, es kommt auf die besondere Unterschiedenheit an), oder et-
was sei Sein und Werden (etwa die Umsetzung von Materie in Energie und umgekehrt,
aber alles Geschehen ist in dieser Polarität zu fassen, die für Materie und Energie nichts
Besonderes aussagt). Es ist ein Grundirrtum, aus der Logik der Kategorien irgendeine
bestimmte Erkenntnis in der Welt ableiten zu wollen. Diese ist immer empirisch und
gebunden an Beobachtungen, zum mindesten an Messungen. Wo ich in der Analyse
meines Erkennens die allgemeinen Kategorien erreiche, werde ich mir, es wiedererken-
nend, des Allgemeinsten bewusst und dadurch klar, habe aber meine faktische Er-
kenntnis nicht erweitert. Dessen eingedenk werfen wir einen Blick auf einzelne uni-
versale Tatbestände, die in Kategorien ausgesprochen werden. Ist damit auch die
besondere Erkenntnis verlassen, so liegt doch in dem für das empirische Wissen Trivi-
alen philosophisch im Ganzen das Grundtatsächliche beschlossen.
1. Die Mathematisierbarkeit der Natur: Zeit und Raumanschauung sind die Realität
der uns unmittelbar zugänglichen Welt. Es gibt nichts Natürliches, das für uns nicht in
Raum und Zeit wäre. Daher sind alle apriorischen Erkenntnisse der Raumverhältnisse
durch die euklidische Geometrie ohne alle besondere Erfahrung als Realitäten in der uns
unmittelbar zugänglichen Welt anzutreffen. Was aber die Natur ist im Grossen und im
Kleinen - ausserhalb der uns unmittelbar sinnlich zugänglichen Welt -, ist indirekt durch
Messungen und Zählungen mit Hilfe von Apparaten zu erforschen. Hier ist ein Grund-
tatbestand die Mathematisierbarkeit der Natur auch über unsere sinnliche Erkenntnis
hinaus. Es ist eine Grundrealität, die in mathematischer Form erkennbar ist, wobei die
Erfahrung der Ablesungen entscheidet, welche Mathematik und wie weit sie gilt.
 
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