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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0257
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Grundsätze des Philosophierens

eine Organisation des Ganzen in einem Staatssocialismus soll durch Controlle und Er-
rechnungen die richtigen Wege sozusagen automatisch finden lassen.
Das alles sind entweder Abschwächungen des Leidens, Dämpfungen möglicher Ka-
tastrophen, oder halbe Massregeln, durchweg die Versuche, Technik durch Technik
auf den Weg des Heils zu bringen. Am Ende aber wird der Teufel nicht durch Beelze-
bub ausgetrieben. Es kommt darauf an, dass der Mensch selber, von innen heraus,
Kräfte und Gehalte entwickelt, die ihn in den Zwangsläufigkeiten der Technik nicht
versinken lassen, sondern die gesamte Technik faktisch unter Bedingungen des eigent-
lichen Menschseins stellen. Die Technik ist nicht mehr zu umgehen, sie ist weder ab-
zuschaffen noch rückgängig zu machen, sondern sie ist zu durchdringen und zu über-
winden. Wie das geschieht, kann aber offenbar nicht mehr durch Plan und Technik
gewollt werden. Es ist aus den Kräften zu erwarten, die in religiöser und philosophi-
scher Selbstverwandlung des Menschen, immer beim Einzelnen beginnend, durch in-
neres Handeln entwickelt werden. Beim Einzelnen ohnmächtig, werden sie in der Aus-
breitung über viele zu Handlungen und Unterlassungen führen, die im Enthusiasmus
für die Technik auf eine nicht voraussehbare Weise den Menschen zugleich zum Herrn
der Technik machen. Welche seelische Wirklichkeiten Einzelner die Verwandlung in
Gang bringen, kann so wenig vorausgesagt werden, wie der Sprung der Gemse, die eine
Lawine auslöst. Die Entwürfe von Zukunftsbildern grauenvoller Technisierung und
seelischer Entleerung des Menschen sind ebenso unwahrscheinlich wie Utopien einer
concret angeschauten Herrschaft über die Technik. Ansätze des Weges zu dieser Herr-
schaft lassen sich jedoch charakterisieren.
Persönliche Haltung zum Technischen: Die Überwindung der Sklaverei, welche
eine Folge der Technik ist, geschieht im Raum des einzelnen Menschen durch die
Weise, wie er mit dem Technischen umgeht, und wie er es in seinem Bewusstsein zur
Geltung kommen lässt. Die Hervorbringungen der Technik durchschauen, benutzen,
die Geschicklichkeit im Hantieren erwerben, die Gewohnheit in der Beherrschung der
Handgriffe, das bedeutet, die Technik zum Begleiter des Lebens zu machen. Dass sie
zu einem Diener des Lebens werde, dazu gehört ein zweites, die Unterwerfung des
Technischen unter geistige Zwecke. Statt des zum Selbstzweck werdenden rasenden
Verkehrs mit dem Auto wird Autofahrt ein Glied im Geistigen z.B. durch Aufsuchung
sonst schwer erreichbarer Orte der Natur und der geschichtlichen Monumente. Statt
regelmässigem Hören des Radio [s] und zerstreuender Vielfalt wird zu klar ausgewähl-
ten Zeiten Radio für sonst nicht erreichbare Zwecke, etwa zum Empfang eiliger Nach-
richten oder zum Genuss geistiger Gehalte sparsam benutzt. Der einzelne Mensch ver-
sagt sich dem Unersättlichen und Nivellierenden der Technik durch ihre Beschränkung
auf Erfüllung eines geistigen Sinns. Die technische Freude gehört dann zum Dasein
und wird doch nicht Mittelpunkt. Die Apparate werden nicht Lebensinhalt, sondern
benutzbare und auch verzichtbare Möglichkeiten. Die Verdeckung der Natur durch
 
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