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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0258
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Grundsätze des Philosophierens

255

die technische Umwelt des Menschen wird durchbrochen. Statt der Ferne der Natur
wird vermöge der Technik die Natur vielmehr gesteigert gegenwärtig.
Freiheit an der Grenze des Technischen: Allem Planen und Machen ist dort die
Grenze gesetzt, wo der Mensch sich frei geben muss in sein Schicksal. Hier ist das, was
er erreichen kann, wesentlich unberechenbar, als gewollt wird es gerade gestört oder
zerstört. Es kommt aus der Zukunft entgegen, überraschend, einfach und überwälti-
gend, jenseits und vor aller Technik, die Technik selber als Ganzes in sich schliessend.
Wo der Mensch dieses Offene vor sich hat und zuerst aus ihm und auf es zu lebt, da ist
er befreit von der Technisierung der Weltanschauung, von heute wie selbstverständ-
lich wirkenden technicistischen Formen des Seinsbewusstseins.
Die Idee des Neubaus des menschlichen Daseins: In dieser Idee liegt das Entschei-
dende. Ich versuche nur einige abstrakte Erörterungen, die den Raum und die Stim-
mung zeigen, nicht aber irgendeine Anweisung, keine konkrete Darstellung geben. Die
Aufgabe ist seit Jahrzehnten bewusst und ständig dringlicher geworden. Als Folge der
Technik ist das gesamte menschliche Dasein, ist die Gemeinschaft der Arbeit ungeheu-
rer Menschenmassen grundsätzlich und in der Durchstrukturierung anders, als sie je
früher war, zu gestalten. Diese Gestaltung ist im Gange, aber in einer versuchenden,
von einem Verhängnis ins andere stürzenden Bewegung. Jederzeit muss der Mensch
leben, er kann nicht einen Augenblick aussetzen, um das Ganze von vorn anzufangen.
Immer muss er von dem jeweils Gegebenen, Sogewordenen ausgehen. Die Daseinsord-
nung ist die grosse, ungelöste Aufgabe des Zeitalters. Das Verhältnis zur Natur durch
die neuen Möglichkeiten der Arbeit wird daher Ausgang nicht nur einer Umwälzung
des Naturbewusstseins, sondern mit ihm des Gesamtdaseins des Menschen. Die Tech-
nik wäre erst überwunden und wirklich nur Mittel, wenn solche Daseinsordnung ge-
lungen wäre. Die Unausweichlichkeit von technisch bedingten Arbeitsweisen und des
technisch notwendigen Arbeitszwangs hat Folgen in der socialen Struktur und in der
Wirtschaftsstruktur, im Staat. Es ist die Frage der gemeinsamen Befreiung Aller durch
Einrichtungen, in denen alle sich dem Notwendigen unterwerfen, ohne dass Einrich-
tungen und Redeweisen zum Betrug werden. Es ist eine Situation, in dera ursprüngli-
che Gründungen möglich scheinen, wie die durch die Gesetzgeber im ältesten Hellas.
Aber die Lage ist doch ganz anders. Durch Gesetze und Einrichtungen allein ist es nicht
zu schaffen.
Der Neubau kann im Ganzen nicht geplant und eingerichtet werden. Die Herr-
schaft über die Technik ist nicht durch Technik, die Überwindung nicht durch Tech-
nokratie zu erreichen, die vielmehr gerade die endgültige Versklavung bedeuten
würde. Alle planenden Überlegungen und Veränderungen - so unerlässlich sie sind
und so entschieden sie der Weg der Aktivität im Neubau bleiben - sind nicht im-

statt der im Ms. denen
 
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