Grundsätze des Philosophierens 259
er so nicht gewollt hat. Immer gibt es die unübersehbaren Kräfte, Tendenzen, Möglich-
keiten. Nur soweit sie übersehbar sind - und auch da sind sie viele -[,] ist für den Einzel-
nen die Frage, wo er stehe und weiter wirken wolle. Es ist mit wachem Bewusstsein die
Entscheidung zu vollziehen, für welche Ideen ich leben und kämpfen will. Im Blick auf
das kommende Weltimperium wird die Frage möglich, für welche Kräfte, die einst die-
ses Imperium vielleicht konstituieren, ordnen, materiell unterbauen, geistig führen wer-
den, ich mich einsetze. Da wird der Massstab nicht nur durch die gegenwärtige, engere
Aufgabe gegeben (die doch unentrinnbar zwingend bleibt) [,] sondern auch von den letz-
ten Folgen her. Praktisch ist das für die meisten Menschen irrelevant, weil sie auf die Auf-
gabe des Tages in ihrer Gegebenheit beschränkt sind, nicht aber für die entscheidenden
Menschen, welche aus dem Ursprung des Menschseins vor Gott auf das Endziel3 blik-
ken, und welche daher die Tagesaufgabe selber sich formen lassen von weiterer Zukunft
her und von da Mittel und Wege unter dem Ethos befragen, welches fordert, dass in den
Handlungen der Mensch sich aufschwinge und dass durch die Folgen der Handlungen
die Bedingungen seiner Reinheit, Redlichkeit, Wahrheit gefördert werden.
Vor dieser freien Entscheidung aber steht die reale Gegebenheit der Machteinheit,
in der ich geboren bin und mich finde. Ich kann in wachem Bewusstsein, wenn ich im
Dasein bleiben will, sie durch meinen Entschluss zunächst nur übernehmen und be-
stätigen.
Damit wird möglich ein Dulden, weil ich in der Ohnmacht nur die Wahl habe, mit-
zutun, was ich irgendwo aus meinem Wesen verwerfe, oder zu sterben. Es wird die Grenze
fühlbarb, wo der Tod vorzuziehen ist dem Bösen. Das Dulden wird zum Transcendieren:
nichts Weltliches ist absolut, aber im Weltlichen wird eigentliche Wirklichkeit Spra-
che, die nur im Transcendieren vernehmbar ist; Sprache wird, was von Gott kommt
und was böse ist. Aber das Dulden hat ein Ende. In der Grenzsituation entscheidet der
Mensch, ob er auch Sprache des Bösen zu werden entschlossen ist oder nicht.
Zweiter Abschnitt: Das Verhältnis des Einzelnen zur Geschichte
Der Einzelne lebt in seiner geschichtlichen Situation an seinem Orte mit der Aufgabe
des Tages, wie er sie hört und versteht. Aber nie ist der Mensch mit der Sorge seiner Ta-
gesaufgabe zufrieden. Er drängt darüber hinaus. In der Erweiterung zum Menschsein
im Ganzen, im Wissen um das, was er nicht ist, aber sein kann, sucht der Einzelne seine
Befriedigung.
So verlangt er, nicht nur hier und jetzt, sondern zugleich im Ganzen der mensch-
lichen Geschichte zu leben; er sucht ein Bewusstsein der Einheit des Ganzen, mit der
a aus dem Ursprung des Menschseins vor Gott auf das Endziel im Ms. hs. Vdg. für schon weiter
b Es wird die Grenze fühlbar im Ms. hs. Vdg. für Ich komme vor die Grenze
er so nicht gewollt hat. Immer gibt es die unübersehbaren Kräfte, Tendenzen, Möglich-
keiten. Nur soweit sie übersehbar sind - und auch da sind sie viele -[,] ist für den Einzel-
nen die Frage, wo er stehe und weiter wirken wolle. Es ist mit wachem Bewusstsein die
Entscheidung zu vollziehen, für welche Ideen ich leben und kämpfen will. Im Blick auf
das kommende Weltimperium wird die Frage möglich, für welche Kräfte, die einst die-
ses Imperium vielleicht konstituieren, ordnen, materiell unterbauen, geistig führen wer-
den, ich mich einsetze. Da wird der Massstab nicht nur durch die gegenwärtige, engere
Aufgabe gegeben (die doch unentrinnbar zwingend bleibt) [,] sondern auch von den letz-
ten Folgen her. Praktisch ist das für die meisten Menschen irrelevant, weil sie auf die Auf-
gabe des Tages in ihrer Gegebenheit beschränkt sind, nicht aber für die entscheidenden
Menschen, welche aus dem Ursprung des Menschseins vor Gott auf das Endziel3 blik-
ken, und welche daher die Tagesaufgabe selber sich formen lassen von weiterer Zukunft
her und von da Mittel und Wege unter dem Ethos befragen, welches fordert, dass in den
Handlungen der Mensch sich aufschwinge und dass durch die Folgen der Handlungen
die Bedingungen seiner Reinheit, Redlichkeit, Wahrheit gefördert werden.
Vor dieser freien Entscheidung aber steht die reale Gegebenheit der Machteinheit,
in der ich geboren bin und mich finde. Ich kann in wachem Bewusstsein, wenn ich im
Dasein bleiben will, sie durch meinen Entschluss zunächst nur übernehmen und be-
stätigen.
Damit wird möglich ein Dulden, weil ich in der Ohnmacht nur die Wahl habe, mit-
zutun, was ich irgendwo aus meinem Wesen verwerfe, oder zu sterben. Es wird die Grenze
fühlbarb, wo der Tod vorzuziehen ist dem Bösen. Das Dulden wird zum Transcendieren:
nichts Weltliches ist absolut, aber im Weltlichen wird eigentliche Wirklichkeit Spra-
che, die nur im Transcendieren vernehmbar ist; Sprache wird, was von Gott kommt
und was böse ist. Aber das Dulden hat ein Ende. In der Grenzsituation entscheidet der
Mensch, ob er auch Sprache des Bösen zu werden entschlossen ist oder nicht.
Zweiter Abschnitt: Das Verhältnis des Einzelnen zur Geschichte
Der Einzelne lebt in seiner geschichtlichen Situation an seinem Orte mit der Aufgabe
des Tages, wie er sie hört und versteht. Aber nie ist der Mensch mit der Sorge seiner Ta-
gesaufgabe zufrieden. Er drängt darüber hinaus. In der Erweiterung zum Menschsein
im Ganzen, im Wissen um das, was er nicht ist, aber sein kann, sucht der Einzelne seine
Befriedigung.
So verlangt er, nicht nur hier und jetzt, sondern zugleich im Ganzen der mensch-
lichen Geschichte zu leben; er sucht ein Bewusstsein der Einheit des Ganzen, mit der
a aus dem Ursprung des Menschseins vor Gott auf das Endziel im Ms. hs. Vdg. für schon weiter
b Es wird die Grenze fühlbar im Ms. hs. Vdg. für Ich komme vor die Grenze