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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0378
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Grundsätze des Philosophierens

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bringt hervor, was selber ein neues Unbewusstes ist. In allem Bewusstsein ist die mit
ihm und durch es wachsende Kraft eines Unbewussten der Träger des Geschehens.
Die Aufhellung, in der das Bewusstsein Zweck und Mittel setzt, indem es selber Mit-
tel des Umgreifenden wird, geschieht im technischen Denken, im Wirtschaftsdenken,
im Rechtsdenken, im politischen Denken, schliesslich in der methodischen naturwis-
senschaftlichen Technik, der Rechtswissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Staatswis-
senschaft und Sociologie.
Der Wille weiss zunächst nicht, was er eigentlich will. Der technische Denker rei-
nigt aus der klaren Bestimmung des Zwecks die Mittel durch causale Einsicht. Der Wirt-
schaftsdenker begreift die Zusammenhänge der Güterproduktion und ihres Verkehrs
inbezug auf die Zwecke des Menschen. Der Rechtsdenker, der zeigt, was in der Natur
der Sache liegt, macht zugleich damit dem Willen bewusst, was er will. Der Staatsden-
ker zeigt im gemeinschaftlichen Dasein der Menschen den Grundtatbestand der
Macht, damit den Sinn von Souveränität und die daraus fliessende Ordnung. Der poli-
tische Denker lässt im Machtkampf Methode entstehen durch Bewusstmachen der Tat-
bestände und Consequenzen. Der Sociologe will den gesamten Umfang menschlicher
Beziehungen und ihrer Gebilde, in die alle diese Bewusstseinsaufhellungen aufgenom-
men sind, als Realitäten erkennen. Der Philosoph sucht die Erhellung der Grenzen und
damit des Umgreifenden, um dem Bewusstsein seine ganze mögliche Weite zu öffnen.
Die Aufhellung des Bewusstseins nach allen Richtungen ist ein unerlässliches Mit-
tel auf dem Wege zum Ziel der Daseinsordnung. Aber das Unbewusste bleibt dabei der
Träger des Geschehens im Bewusstsein selber. Das Unbewusste, obgleich grenzenlos
dem Erhellungsprocess ausgeliefert, wird vom freien Bewusstsein anerkannt, nicht ver-
gessen, und in sich selber zur Wirkung gebracht.
In der Polarität von Bewusstsein und Unbewusstheit müssen wir leben. Es ist Mut-
losigkeit oder Betrug, den Weg des Bewusstseins zu verschliessen. Es ist Abstraktheit
und Lieblosigkeit, das Unbewusste als nicht real oder als nicht sein sollend zu behan-
deln. Nicht die Alternative gilt, sondern Steigerung der Polarität im Ganzen.
bb. Der Charakter der Unbewusstheit in der Autorität: Alles Unbewusste ist fähig,
im Menschen zum Bewusstsein zu kommen. Das Bewusstsein vollzieht eine unabläs-
sige Aufhellung, wo es einmal begonnen hat. Es ist ein Unterschied, wie allgemeine
Erkennbarkeit (im Bewusstsein überhaupt), wie die Idee (des Geistes) und wie die Au-
torität (die existentiell ergriffen wird) bewusst ist.
Das gegenständlich Erkennbare wird im Gegenständlichen restlos klar. Die Idee be-
findet sich in einem ins Unendliche fortschreitenden Process des Hellwerdens eines
in ihr ständig gegenwärtigen allgemeinen Ganzen. Die Autorität wird hell in ihrer Ge-
schichtlichkeit durch Bilder und Zeichen.
Das Bewusstwerden dieser drei Richtungen ist[,] obgleich ursprungsverschieden [,]
doch auf einander angewiesen. Wird uns bewusst, was wir unbewusst hervorgebracht
 
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