Grundsätze des Philosophierens
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des Amtes, einnehmen, die in bestimmten Situationen durch ihn fordert, ohne dass
er selber als dieser Mensch eine Autorität will.
Wir vergegenwärtigen die Führung auf politischem Gebiet.
Führende Menschen sind notwendig für die Verwirklichung gemeinschaftlichen
Wollens. Der Führer hat Autorität, sei es durch sein ihm eigenes Charisma, sei es durch
Übertragung (Erbfolge, Einsetzung, Wahl), sei es durch beides. Diese Autorität lässt
durch ihn sprechen und tun, was an der Grenze nur hinzunehmen ist, wenigstens zu-
nächst Unterwerfung fordert. Wie diese Autorität von den ihr Folgenden und dem sie
Ausübenden gefühlt wird, und wie sie im bewussten Nachdenken sich darstellt, ist ent-
scheidend. In schematischer Alternative lässt sich ein Wesensunterschied zwischen
Führer und Despot charakterisieren:
Die Gemeinschaft, die in der Solidarität quer durch alle besonderen Gruppen wur-
zelt, diese Republik selbstseiender Menschen folgt einem Führer, der von ihrer eigenen
Art ist, tut, was sie wollen und verstehen, sich vor ihnen verantwortet, unter Kontrol-
len und der Kritik ausgesetzt bleibt. Der Führer kann regieren, weil er den Geführten
folgt. Er steht unter Bedingungen. Im Fall der Not kann die Gemeinschaft zum Zwecke
schnellen und einheitlichen Handelns sich in ihrer Gesamtheit dem Führer als Dikta-
tor unterstellen, gehorchen, ohne im Augenblick schon zu begreifen, auf sich nehmen,
was schwere Opfer sind. Denn es handelt sich um Dasein überhaupt, ob es erhalten oder
vernichtet wird. Auch ein solcher Diktator bleibt unter freien Menschen der Verant-
wortung unterworfen, denn nach Behebung der Not hat er sich zu rechtfertigen.
Dieser Idee des Führers ist entgegengesetzt der Despot (etwa Ludwig XIV. entgegen-
gesetzt Wilhelm von Oranien, dem englischen König). Der Despot regiert Menschen,
die nicht sie selber sind oder in ihrem Selbstsein faktisch nicht anerkannt werden. Er
verantwortet sich nicht, sondern gibt höchstens eine Verantwortung seines Tuns vor
Gott zu. Er verweigert Kontrolle und verbietet Kritik. Er zwingt auf, was er will, und
fragt nur im Sinne seiner eigenen Zwecke, was die Regierten wünschen. Er stellt sich
ausserhalb der Gesetze, die er selber gibt und die etwa sonst allgemeingiltig wären.
Der Despot ist die Verkehrung des Sinns des Führers. Dass er möglich ist, beruht
einmal auf dem Unterwerfungsdrang, auf der eigentümlichen Befriedigung von Men-
schen zu gehorchen, sich vergewaltigen zu lassen von etwas, das sie als Grösse und Ge-
heimnis verehren. Weiter aber ist die Artung der Menschenmassen auf dem Erdball
vielleicht derart, dass das, was wir Selbstsein nennen, ihnen zumeist nicht eigen ist.
Sollte dieses Selbstsein (die Persönlichkeit) ein vorwiegend abendländisches und auch
im Abendlande nur auf eine Minorität begrenztes Phänomen sein, so muss die Mino-
rität und müssen die 400 Millionen Abendländer doch mit der Mehrzahl und mit
1600 Millionen asiatischer3 Menschen Zusammenleben, die diese Unterscheidung von
asiatischer im Ms. hs. Vdg. für anderer
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des Amtes, einnehmen, die in bestimmten Situationen durch ihn fordert, ohne dass
er selber als dieser Mensch eine Autorität will.
Wir vergegenwärtigen die Führung auf politischem Gebiet.
Führende Menschen sind notwendig für die Verwirklichung gemeinschaftlichen
Wollens. Der Führer hat Autorität, sei es durch sein ihm eigenes Charisma, sei es durch
Übertragung (Erbfolge, Einsetzung, Wahl), sei es durch beides. Diese Autorität lässt
durch ihn sprechen und tun, was an der Grenze nur hinzunehmen ist, wenigstens zu-
nächst Unterwerfung fordert. Wie diese Autorität von den ihr Folgenden und dem sie
Ausübenden gefühlt wird, und wie sie im bewussten Nachdenken sich darstellt, ist ent-
scheidend. In schematischer Alternative lässt sich ein Wesensunterschied zwischen
Führer und Despot charakterisieren:
Die Gemeinschaft, die in der Solidarität quer durch alle besonderen Gruppen wur-
zelt, diese Republik selbstseiender Menschen folgt einem Führer, der von ihrer eigenen
Art ist, tut, was sie wollen und verstehen, sich vor ihnen verantwortet, unter Kontrol-
len und der Kritik ausgesetzt bleibt. Der Führer kann regieren, weil er den Geführten
folgt. Er steht unter Bedingungen. Im Fall der Not kann die Gemeinschaft zum Zwecke
schnellen und einheitlichen Handelns sich in ihrer Gesamtheit dem Führer als Dikta-
tor unterstellen, gehorchen, ohne im Augenblick schon zu begreifen, auf sich nehmen,
was schwere Opfer sind. Denn es handelt sich um Dasein überhaupt, ob es erhalten oder
vernichtet wird. Auch ein solcher Diktator bleibt unter freien Menschen der Verant-
wortung unterworfen, denn nach Behebung der Not hat er sich zu rechtfertigen.
Dieser Idee des Führers ist entgegengesetzt der Despot (etwa Ludwig XIV. entgegen-
gesetzt Wilhelm von Oranien, dem englischen König). Der Despot regiert Menschen,
die nicht sie selber sind oder in ihrem Selbstsein faktisch nicht anerkannt werden. Er
verantwortet sich nicht, sondern gibt höchstens eine Verantwortung seines Tuns vor
Gott zu. Er verweigert Kontrolle und verbietet Kritik. Er zwingt auf, was er will, und
fragt nur im Sinne seiner eigenen Zwecke, was die Regierten wünschen. Er stellt sich
ausserhalb der Gesetze, die er selber gibt und die etwa sonst allgemeingiltig wären.
Der Despot ist die Verkehrung des Sinns des Führers. Dass er möglich ist, beruht
einmal auf dem Unterwerfungsdrang, auf der eigentümlichen Befriedigung von Men-
schen zu gehorchen, sich vergewaltigen zu lassen von etwas, das sie als Grösse und Ge-
heimnis verehren. Weiter aber ist die Artung der Menschenmassen auf dem Erdball
vielleicht derart, dass das, was wir Selbstsein nennen, ihnen zumeist nicht eigen ist.
Sollte dieses Selbstsein (die Persönlichkeit) ein vorwiegend abendländisches und auch
im Abendlande nur auf eine Minorität begrenztes Phänomen sein, so muss die Mino-
rität und müssen die 400 Millionen Abendländer doch mit der Mehrzahl und mit
1600 Millionen asiatischer3 Menschen Zusammenleben, die diese Unterscheidung von
asiatischer im Ms. hs. Vdg. für anderer