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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0400
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Grundsätze des Philosophierens

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c. Die Grundentscheidungen
Die radikalen Entscheidungen liegen erstens zwischen gut und böse - die eine Seite
wird verworfen, wenn die andere gewählt wird, oder es bleibt die Lauheit des Unent-
schiedenen, die selber böse wird. Zweitens ist die Scheidung zwischen ursprungsver-
schiedenem, nicht vom gleichen Menschen gleichzeitig zu verwirklichendem Guten.
Und hier liegt drittens eine Entscheidung im Verhalten zu diesem anderen: das, was
ich für mich ausschliesse, verwerfe ich entweder absolut und bekämpfe es bis zur Ver-
nichtung, oder ich suche im Kampfe mit ihm Communication. Hier geschieht eine
Grundentscheidung zwischen der Idee der einen Weltordnung als absoluter Wahrheit
und der Idee der Welteinheit als unendlichem Leben der Verständigung. Es ist eine
Grundentscheidung, deren Analogie schon vorher in allem Philosophieren durch alle
Sphären unseres Denkens geht, in Metaphysik, Logik, Wissenschaft, die in jeder Weise
unseres Auffassens und Seinsbewusstseins gegenwärtig ist, und die dann unser Verhal-
ten und Beurteilen in allen Dingen bis in den Alltag bestimmt.
Philosophierend können wir die Grundentscheidung nur zugunsten des unendli-
chen Lebens der Verständigung gegen den Anspruch einer Weltordnung als gewusster
oder wissbarer absoluter Wahrheit treffen. Das ist näher zu erörtern.
Es ist eine Befangenheit des Verstandes, die richtige Welteinrichtung für selbstver-
ständlich möglich, den Entwurf eines solchen Richtigen für schlechthin wahr zu hal-
ten, und dann alles von Einsicht und gutem Willen zu erwarten. Innerhalb des un-
übersehbaren, ständig übergreifenden Gesamtgeschehens kommt es darauf an, dass
der Einzelne in seiner Gemeinschaft die Richtung wähle, mit der er nie das Ganze ist,
sondern sich anderen Richtungen grösster Energie gegenüber sieht.
Es ist die Grundfrage, wie die Unvereinbarkeit von Grundpositionen aufzufassen ist.
Die Ursprungsverschiedenheit des Menschseins, was die Erscheinungin geschichtlicher
Besonderung angeht, lässt eine Ursprungseinheit des Menschen als Menschen nicht
schlechthin verschwinden. Die vielen Wahrheiten weisen auf das Eine. In diesem Sinne
sind alle erscheinenden Wahrheiten vorläufig und müssen als vorläufige begriffen wer-
den. Der Grundgegensatz politischer Ideale und ihrer Lehren scheint unaufhebbar. Die
Frage drängt sich immer von neuem auf: Sind es absolute Gegensätze und Alternativen,
oder ist die Verschiedenheit und Unvereinbarkeit der Gegensätze ein in der Welt notwen-
diges Mittel auf dem Wege zur Einheit des Zieles? Ist jeder Abbruch der Diskussion, um
statt Verständigung Gewalt entscheiden zu lassen, ein Symptom von unüberwundener
Unwahrheit? Gibt es eine absolute Grenze des Nichtmehrmiteinanderredenkönnens?
Dass der Abbruch in der Welt immer wieder vollzogen wird, und dass jeder Mensch
ihn irgendwo vollzieht - die scheinbar harmlosen Vollzüge solchen Abbruchs im fried-
lichen Leben sind zumeist unbewusste Vorbereitung dessen, was am Ende Gewalt und
Krieg wird -, ist kein Grund, um die Forderung der Wahrheit im Einigwerden aufzuge-
ben. Philosophieren wird zwar unerbittlich die Grenzen aufzeigen müssen und das
 
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