Grundsätze des Philosophierens
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Denkbarkeiten von beiden Partnern beherrscht werden. Dann braucht das Gespräch
nicht mehr ständig in diese Zwangsläufigkeiten des Denkens abzugleiten, sondern kann
mit ihnen die Tiefe der eigentlichen Antriebe des Denkens fühlbar werden lassen zu Ab-
stoss und Anziehung, zur Solidarität oder zur ritterlichen Klärung der Ferne.290
c. Übersicht. - Abgrenzung und Abwehr geht seitens der Philosophie nach zwei
Richtungen: gegen ein wesentlich Mangelhaftes, welches aus eigenem Ursprung
nichts hervorbringena kann, das wahr und wirklich wäre,b gegen die Unphilosophie
(VIII. Teil)c; und gegen ein wesentlich Positives, aus eigenem Ursprung Wirkliches, ge-
gen die Religion (IX. Teil)d.291
Philosophische6 Wahrheit ist nicht die einzige in der Welt. Sie ist nirgends die Form
der Wahrheit, aus der Massen von Menschen leben. Im Philosophieren liegt nun zwar
die Tendenz, aus Offenheit für Wirklichkeit jede Weise des Lebenkönnensf nicht nur
zu verstehen, sondern sie in dem Sinn ihrer Wahrheit anzuerkennen. Aber Bedingung
der Wahrheit des Philosophierens bleibt doch die Absetzung der Philosophie gegen
die von ihr für sich notwendig als unwahr zu begreifenden Anschauungen, welche Ver-
breitung in der Welt haben.
Diese Anschauungen nennen wir Unphilosophie, wenn sie als Philosophie auftre-
ten, sich selber als Philosophie verstehen, von anderen als Philosophie anerkannt wer-
den, obgleich sie sich gegen Glaubensgrundsätze stellen, ohne dieg Philosophie ihren
Gehalt verlieren muss. Unphilosophie wendet sich im Gewände von Philosophie11 ge-
gen Philosophie. Sie bedeutet in der Tat Verneinung der Philosophie? Sie ist nicht nur
Irrtum innerhalb der Philosophie, der dann durch Einsicht korrigierbar ist, sondern
ein grundsätzliches Irren in einer Negation, die doch in Haltung und Ersatzbildungen
positiv zu sein scheint. Sie erwächst aus Substanzleere mit gewaltsamen Positionen
und ist überwindbar allein in einer Wiedergeburt des im Zusichkommen sich selbst
geschenkten Menschen. Dieses Scheinphilosophieren geht in heftigen Strudeln durch
den Strom der Geschichte. Jeder Philosophierende scheint' ihnen in Übergängen sei-
a nichts hervorbringen im Ms. hs. Vdg. für nicht auf die Dauer leben
b das wahr und wirklich wäre, im Ms. hs. Einf.
c (VIII. Teil) in der Abschrift Gertrud Jaspers hs. Einf.
d (IX. Teil) in der Abschrift Gertrud Jaspers hs. Einf.
e vor Philosophische in der Abschrift Gertrud Jaspers gestr. || Erster Abschnitt: Philosophie und Un-
philosophie 11
f Lebenkönnens im Ms. hs. Vdg. für Glaubens
g obgleich sie sich gegen Glaubensgrundsätze stellen, ohne die im Vorlesungs-Ms. 1945/46 Vdg. zu
obgleich sie Glaubensgrundsätze preisgeben, ohne welche die
h nach Philosophie im Vorlesungs-Ms. 1945/46Einf. in der Tat
i Sie bedeutet in der Tat Verneinung der Philosophie, im Vorlesungs-Ms. 1945/46 Vdg. zu Da sie Ver-
neinung der Philosophie bedeutet, muss Philosophie sich gegen sie wehren.
j scheint in der Abschrift Gertrud Jaspers hs. Vdg. für wird
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Denkbarkeiten von beiden Partnern beherrscht werden. Dann braucht das Gespräch
nicht mehr ständig in diese Zwangsläufigkeiten des Denkens abzugleiten, sondern kann
mit ihnen die Tiefe der eigentlichen Antriebe des Denkens fühlbar werden lassen zu Ab-
stoss und Anziehung, zur Solidarität oder zur ritterlichen Klärung der Ferne.290
c. Übersicht. - Abgrenzung und Abwehr geht seitens der Philosophie nach zwei
Richtungen: gegen ein wesentlich Mangelhaftes, welches aus eigenem Ursprung
nichts hervorbringena kann, das wahr und wirklich wäre,b gegen die Unphilosophie
(VIII. Teil)c; und gegen ein wesentlich Positives, aus eigenem Ursprung Wirkliches, ge-
gen die Religion (IX. Teil)d.291
Philosophische6 Wahrheit ist nicht die einzige in der Welt. Sie ist nirgends die Form
der Wahrheit, aus der Massen von Menschen leben. Im Philosophieren liegt nun zwar
die Tendenz, aus Offenheit für Wirklichkeit jede Weise des Lebenkönnensf nicht nur
zu verstehen, sondern sie in dem Sinn ihrer Wahrheit anzuerkennen. Aber Bedingung
der Wahrheit des Philosophierens bleibt doch die Absetzung der Philosophie gegen
die von ihr für sich notwendig als unwahr zu begreifenden Anschauungen, welche Ver-
breitung in der Welt haben.
Diese Anschauungen nennen wir Unphilosophie, wenn sie als Philosophie auftre-
ten, sich selber als Philosophie verstehen, von anderen als Philosophie anerkannt wer-
den, obgleich sie sich gegen Glaubensgrundsätze stellen, ohne dieg Philosophie ihren
Gehalt verlieren muss. Unphilosophie wendet sich im Gewände von Philosophie11 ge-
gen Philosophie. Sie bedeutet in der Tat Verneinung der Philosophie? Sie ist nicht nur
Irrtum innerhalb der Philosophie, der dann durch Einsicht korrigierbar ist, sondern
ein grundsätzliches Irren in einer Negation, die doch in Haltung und Ersatzbildungen
positiv zu sein scheint. Sie erwächst aus Substanzleere mit gewaltsamen Positionen
und ist überwindbar allein in einer Wiedergeburt des im Zusichkommen sich selbst
geschenkten Menschen. Dieses Scheinphilosophieren geht in heftigen Strudeln durch
den Strom der Geschichte. Jeder Philosophierende scheint' ihnen in Übergängen sei-
a nichts hervorbringen im Ms. hs. Vdg. für nicht auf die Dauer leben
b das wahr und wirklich wäre, im Ms. hs. Einf.
c (VIII. Teil) in der Abschrift Gertrud Jaspers hs. Einf.
d (IX. Teil) in der Abschrift Gertrud Jaspers hs. Einf.
e vor Philosophische in der Abschrift Gertrud Jaspers gestr. || Erster Abschnitt: Philosophie und Un-
philosophie 11
f Lebenkönnens im Ms. hs. Vdg. für Glaubens
g obgleich sie sich gegen Glaubensgrundsätze stellen, ohne die im Vorlesungs-Ms. 1945/46 Vdg. zu
obgleich sie Glaubensgrundsätze preisgeben, ohne welche die
h nach Philosophie im Vorlesungs-Ms. 1945/46Einf. in der Tat
i Sie bedeutet in der Tat Verneinung der Philosophie, im Vorlesungs-Ms. 1945/46 Vdg. zu Da sie Ver-
neinung der Philosophie bedeutet, muss Philosophie sich gegen sie wehren.
j scheint in der Abschrift Gertrud Jaspers hs. Vdg. für wird