Grundsätze des Philosophierens
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birgt sich wieder der Dämonische: »Man will die Ewigkeit nicht ernsthaft denken; man
hat Angst vor ihr, und die Angst verfällt auf hundert Ausflüchte.«307
3. In neuerer Zeit wird das Wort dämonisch unbestimmbar für alle störenden Un-
begreiflichkeiten - für das »Irrationale« - gebraucht. Das Ungewollte, das aus der Ver-
wirklichung des Gewollten unerwartet entgegenkommt, heisst dämonisch. Die Dä-
monie der Technik ist das aus der Verwirklichung technischer Daseinsbewältigung wie
etwas Selbständiges überwältigend Zurückwirkende. So heisst auch das Unbewusste
dämonisch, wenn das nicht Durchhellte und nicht Durchhellbare aus den Tiefen des
Seelenlebens den Menschen bezwingt. Nichtkönnen, Nichtwollen, Überwältigtwer-
den, Verstricktsein, Ausweglosigkeit - alles kann zu dem Ausruf führen: dämonisch!
Diese Weisen, vom Dämonischen zu sprechen, meinten wir nicht, wenn wir die
Dämonologie als Weltanschauung des Unglaubens schilderten. Diese Dämonologie
ist besonders in ihren modernen Redeweisen unfasslich wie Proteus, ein Nichts, das
sich immer anders verkleidet und auch jene gleichnisweisen Wendungen vom Dämo-
nischen, die eben berichtet wurden, benutzt.
Gegen die dämonologische Weltanschauung ist daher vom Philosophieren her kri-
tisch nur etwas auszurichten, wenn sie in gewissen typischen Redewendungen einen
Augenblick bestimmt gefasst wird. So richtet sich die Kritik nacheinander gegen eine
Reihe gedanklich in der Dämonologie vorkommender Positionen. Philosophisch lässt
sich von ihnen sagen:
1) a Die Transcendenz wird verfehlt. Die Steigerung des immanenten Lebens durch
Dämonisierung ist, statt die Transcendenz zu erreichen, vielmehr auf dem Wege, sie
zu verlieren. Ohne Gott bleiben die Vergötzungen. Die Götter selber sind Welt gewor-
den. Sie nehmen teil an der Ohnmacht des Weltlichen, über ihnen waltet ein Ande-
res, absolut Fremdes, die Moira oder das Nichts.
2) b Der Mensch wird verloren. Innerhalb der dämonologischen Weltanschauung
ist Freiheit nur noch die Hinnahme des Schicksals.0 Der Mensch kann zwar glücklich
sein im Geraten seines Lebens unter günstigen Umständen - mit gelegentlicher me-
lancholischer Erinnerung an die Unverlässlichkeit -, aber wird unselig im Ausgeschlos-
sensein vom Glück der Welt und dann nur verzweifelt oder leer im Unglück. Es herrscht
eine selbstverständliche Härte gegen die, denen das Leben misslingt oder über die ein
auswegloses Unheil kommt. Es gibt keinen unersetzlichen Wert des einzelnen Men-
schen, keine eigentliche Seele. Die Humanität ist dann eine nur noch immanente Ge-
sinnung, unter gewissen Bedingungen sich menschenfreundlich zu verhalten, nicht
a 1) nach dem Vorlesungs-Ms. 1945/46 statt aa. in der Abschrift Gertrud Jaspers
t> 2) nach dem Vorlesungs-Ms. 1945/46 statt bb. in der Abschrift Gertrud Jaspers
c Schicksals, im Vorlesungs-Ms. 1945/46 Vdg. zu Schicksals, das den Menschen ergreift.
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birgt sich wieder der Dämonische: »Man will die Ewigkeit nicht ernsthaft denken; man
hat Angst vor ihr, und die Angst verfällt auf hundert Ausflüchte.«307
3. In neuerer Zeit wird das Wort dämonisch unbestimmbar für alle störenden Un-
begreiflichkeiten - für das »Irrationale« - gebraucht. Das Ungewollte, das aus der Ver-
wirklichung des Gewollten unerwartet entgegenkommt, heisst dämonisch. Die Dä-
monie der Technik ist das aus der Verwirklichung technischer Daseinsbewältigung wie
etwas Selbständiges überwältigend Zurückwirkende. So heisst auch das Unbewusste
dämonisch, wenn das nicht Durchhellte und nicht Durchhellbare aus den Tiefen des
Seelenlebens den Menschen bezwingt. Nichtkönnen, Nichtwollen, Überwältigtwer-
den, Verstricktsein, Ausweglosigkeit - alles kann zu dem Ausruf führen: dämonisch!
Diese Weisen, vom Dämonischen zu sprechen, meinten wir nicht, wenn wir die
Dämonologie als Weltanschauung des Unglaubens schilderten. Diese Dämonologie
ist besonders in ihren modernen Redeweisen unfasslich wie Proteus, ein Nichts, das
sich immer anders verkleidet und auch jene gleichnisweisen Wendungen vom Dämo-
nischen, die eben berichtet wurden, benutzt.
Gegen die dämonologische Weltanschauung ist daher vom Philosophieren her kri-
tisch nur etwas auszurichten, wenn sie in gewissen typischen Redewendungen einen
Augenblick bestimmt gefasst wird. So richtet sich die Kritik nacheinander gegen eine
Reihe gedanklich in der Dämonologie vorkommender Positionen. Philosophisch lässt
sich von ihnen sagen:
1) a Die Transcendenz wird verfehlt. Die Steigerung des immanenten Lebens durch
Dämonisierung ist, statt die Transcendenz zu erreichen, vielmehr auf dem Wege, sie
zu verlieren. Ohne Gott bleiben die Vergötzungen. Die Götter selber sind Welt gewor-
den. Sie nehmen teil an der Ohnmacht des Weltlichen, über ihnen waltet ein Ande-
res, absolut Fremdes, die Moira oder das Nichts.
2) b Der Mensch wird verloren. Innerhalb der dämonologischen Weltanschauung
ist Freiheit nur noch die Hinnahme des Schicksals.0 Der Mensch kann zwar glücklich
sein im Geraten seines Lebens unter günstigen Umständen - mit gelegentlicher me-
lancholischer Erinnerung an die Unverlässlichkeit -, aber wird unselig im Ausgeschlos-
sensein vom Glück der Welt und dann nur verzweifelt oder leer im Unglück. Es herrscht
eine selbstverständliche Härte gegen die, denen das Leben misslingt oder über die ein
auswegloses Unheil kommt. Es gibt keinen unersetzlichen Wert des einzelnen Men-
schen, keine eigentliche Seele. Die Humanität ist dann eine nur noch immanente Ge-
sinnung, unter gewissen Bedingungen sich menschenfreundlich zu verhalten, nicht
a 1) nach dem Vorlesungs-Ms. 1945/46 statt aa. in der Abschrift Gertrud Jaspers
t> 2) nach dem Vorlesungs-Ms. 1945/46 statt bb. in der Abschrift Gertrud Jaspers
c Schicksals, im Vorlesungs-Ms. 1945/46 Vdg. zu Schicksals, das den Menschen ergreift.