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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0503
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Grundsätze des Philosophierens

die Rüstkammer für Argumente im geistigen Kampf. Man holte sich im Streit der Par-
teien dort die Begründungen zur Meisterung der Gegenwart. Es ist selbstverständlich,
dass in der Auffassung der Vorbilder und dem Ausbau der Begründungen eine ständige
Verwandlung des in der Bibel Gegebenen stattfand, ein Aneignen im Auslegen aus der
jeweiligen Gegenwart für deren Zwecke, aber mit dem Bewusstsein, nur eine Wieder-
holung des Uralten zu vollziehen.
Es ist etwas historisch Ausserordentliches, die Menschen in ihrer Masse an ein ho-
hes geistiges Werk zu binden. In den Jahrhunderten, als die Bibel in der Tat auch Volks-
buch war, war der Mensch täglich, statt wie heute mit der Zeitung, mit ihr verbunden.
Diese Bindung und Überlieferung ist das Werk der Kirchen. Durch sie wurde das Buch
im Ganzen kanonisiert. Durch sie wurde es mit allem, was darin steht, auch wenn des-
sen Sinn sich faktisch gegen sie selber kehrte, als ein unermesslicher Reichtum in die
Seele aller gebracht. Die einfachen Grundwahrheiten, die Abgründe des Daseins, und
auch die Verzerrungen und Verbrechen, alles stand in Grundtypen vor Augen. Das
Wahre wird zugleich mit seinen Entgleisungen und durch sie deutlich. Die Bibel gilt,
ob der Einzelne es mag oder nicht. Gegen die billige Abwertung eines Werks nach zu-
fälligen Gefühlen und Gesichtspunkten des Augenblicks steht die durch die Jahrtau-
sende gegründete Autorität.
Auslegung (Interpretation) der Texte geschieht von unmittelbarem Aneignen bis
zum methodisch entwickelten philologischen Auffassen. Stellen wir zunächst zwei
Weisen der Auslegung Einander gegenüber:
Entweder wird das Wort unmittelbar verstanden, unhistorisch, als ob es gegenwär-
tig gesprochen werde. Alle Bibeltexte sind dann auf einer Ebene gleichzeitig und
gleichwertig als Gottes Wort. Prüfung des rechten Verständnisses sind nicht Textun-
tersuchungen und historische Vergegenwärtigungen, sondern das unmittelbare An-
eignen im Glauben. Zum Beispiel: Jakob ringt mit einem Dämon in der Nacht, wird
von ihm an der Hüfte verletzt, hält ihn aber fest und wird von dem gefangenen Dä-
mon bei der Morgenröte gebeten, ihn loszulassen. Jakob antwortet: Ich lasse dich nicht
los, äusser du segnest mich. Diese magische Erfahrung wird schon im Text (Genesis 32,
25 ff.) auf Jahwe bezogen, der Jakob den Namen Israel gibt: denn du hast mit Gott ge-
kämpft und hast gesiegt.420 Als fast ein Jahrtausend später die innerlichen Erfahrun-
gen des Hiob vollzogen waren, der Mensch gegen Gott bei Gott Einspruch zu erheben
vermochte, um das reine Gottesbild kämpfte in den Zweifeln der schaurigen Realitä-
ten, den Enttäuschungen des »so ist es« in der Welta, da wurde jene primitiv grossar-

a den Enttäuschungen des »so ist es« in der Welt nach der Abschrift Schott statt die Enttäuschungen,
des >so ist es< in der Welt in der Abschrift Gertrud Jaspers und die Enttäuschungen des >so ist es< in
der Welt in der Abschrift A. F.
 
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