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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 2, Band 1): Grundsätze des Philosophierens: Einführung in philosophisches Leben — Basel: Schwabe Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.69897#0549
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Grundsätze des Philosophierens

dukt erinnernder Aneignung hoher Überlieferung aus einer philosophisch gläubigen
Lebensverfassung heraus.
Das methodische Denken des Mittelalters ist original zuerst in Anselm. In den her-
ben Formen des logischen und juristischen Denkens liegt das Bestrickende3 unmittel-
barer Denkoffenbarungen des Metaphysischen. Uns fern und fremd, was die vermeint-
lich zwingende Kraft der Gedankengänge und die besonderen dogmatischen Sätze
betrifft, ist er gegenwärtig und glaubwürdig in dem Offenbarwerden der Gehalte, so-
fern wir sie in ihrer menschlichen Allgemeinheit nehmen wie die des Parmenides,
nicht in ihrem historischen Kleide der christlichen Dogmatik.
Abälard lehrt die Energie der Reflexion, die Wege des logisch Möglichen, die Me-
thode der dialektischen Gegensätzlichkeiten als Weg der Erörterung der Probleme. In-
dem er durch Gegenüberstellung des Widersprechenden bis ins Äusserste fragt, wird
er Begründer der scholastischen Methode, welche in Thomas ihren Gipfel erreicht und
zugleich auch schon die Gefahr der Auflösung der vorher naiv tragenden christlichen
Substanz.
Thomas bringt das grossartige, in der katholischen13 Welt bis heute überragend gü-
tige, fast autoritative System, in dem das Reich der Natur und das Reich der Gnade, das
vernünftig Begreifliche und das zu glaubende Unbegreifliche, das Weltliche und das
Kirchliche, die widerlegten ketzerischen Positionen und das Moment der Wahrheit in
ihnen zu einer Einheit zusammengegriffen und entfaltet werden, die man nicht mit
Unrecht den grossen Domen des Mittelalters verglichen hat. Er hat vereinigt, was das
mittelalterliche Denken hervorgebracht hat. Von ihm aus gesehen, haben sie alle Vor-
arbeit geleistet, für die ordnende Herbeischaffung allen Materials und die Methode der
Aristotelesaneignung zuletzt noch Albertus magnus, den Thomas vielleicht nur durch
Klarheit und Mass und Knappheit seines Denkens übertrifft. In Stimmung und An-
schauung ist diese vollendete philosophische Realität des Mittelalters aus Dantes Gött-
licher Komödie kennen zu lernen.
Duns Scotus und Ockham sind, fast im Augenblick, da der vollendete Bau mittel-
alterlichen Denkens fertig scheint, der Durchbruch. Duns Scotus, noch in einer Ge-
stalt, die als orthodox gilt, erregt durch tiefsinnige Schwierigkeiten, die er im Willen
und in der einmaligen Individualität als Hier und Jetzt entdeckt. Ockham bringt die
erkennende Grundhaltung in eine Katastrophe, in der [sich] das moderne, zugleich
sich bescheidende und in seinem Machtbereich weit ausgreifende Erkennen begrün-
det. Politisch zerschlägt er die Ansprüche der Kirche als Publicist Ludwig[s] des Bay-

grosszügiges, in der Haltung original wirkendes System. Er erblickt die Gottnatur und wird Neu-
begründer einer speculativen Mystik, nachwirkend bis in die Gegenwart, im Ms. Einf.
a das Bestrickende im Ms. Vdg. für der Zauber
b katholischen nach der Abschrift Gertrud Jaspers statt Katholischen im Ms.
 
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