XXII
Einleitung des Herausgebers
Zur Gruppe derer, die an die Zeit nach dem Krieg dachten, gehörte der von Eugen
Claassen und Henry Goverts 1934 gegründete H. Goverts Verlag in Hamburg. In des-
sen Auftrag sondierte der mit Jaspers gut befreundete Dolf Sternberger im Spätsommer
1944 die generelle Möglichkeit von Publikationen.19 Ausführlich berichtete er Claas-
sen von einem vertraulichen Gespräch mit Jaspers, das zwischen dem 26. August und
dem 15. September 1944 stattgefunden haben muss.2° Demnach fühle sich Jaspers »an
Springer überhaupt nicht in dem Maße gebunden, wie ich vermutet hatte, hat ja auch
früher schon etliches bei de Gruyter und anderswo verlegen lassen.«21 Als fertig vor-
liegend habe Jaspers in jenem Gespräch erwähnt: Nietzsche und das Christentum, fer-
ner »eine Folge von zehn größeren Abhandlungen, die ursprünglich als ein zusam-
menhängendes Buch für das allgemeinste Publikum gedacht war, inzwischen aber
rein räumlich darüber hinausgewachsen ist und nach seiner letzten Meinung eher als
eine Serie kleiner Bücher publizierbar wäre«,22 sowie »das Hauptstück und der größte
Brocken: die >Logik<. Jaspers selbst sieht in diesem Plan [...] sein eigentliches zentra-
les Lebenswerk. [...] Und es wird wohl wirklich [...] die erste große philosophische,
sen. Die Bestimmungen über Autoren, die mit einer Frau jüdischer Abstammung verheiratet
sind, erlauben eine Veröffentlichung ohne ausdrückliche ministerielle Genehmigung nicht. [...]
Die Prüfung des Manuskripts hat zu der Entscheidung geführt, daß wir die Arbeit nicht veröf-
fentlichen dürfen. [...] Unser Vorstoß zugunsten seiner Arbeit ist gescheitert - es mag sein, daß
für ein fachwissenschaftliches Werk wie die Psychopathologie, deren Neuauflage, wie Sie wis-
sen werden, in Vorbereitung ist, eine solche Barriere nicht errichtet wird«. (H. Köster an G. Rad-
bruch, 19. Januar 1943, UBH, Nachl. G. Radbruch). Vgl. hierzu auch D. Mußgnug: Die vertriebe-
nen Heidelberger Dozenten. Zur Geschichte der Ruprecht-Karls-Universität nach 1933, Heidelberg 1988,
130-131; D. Kaegi, A. U. Sommer: »Einleitung der Herausgeber«, in: K. Jaspers: Nietzsche, KJG I/18,
VII-LXXIII, hier: XL-XLIII.
19 Der Essayist und Politikwissenschaftler Dolf Sternberger (1907-1989) promovierte 1932 mit der
Dissertation Der verstandene Tod. Eine Untersuchung zu Martin Heideggers Existenzialontologie (Leip-
zig U34), ab 1934 war er Redakteur der Frankfurter Zeitung bis zu seinem Berufsverbot 1943. 1955
wurde er als Prof, für Politische Wissenschaft an die Heidelberger Universität berufen. Vgl. zu
Sternbergers Leben und Wirken S. Andres: Briefe von und an Stefan Andres. 1930-1970, Auswahl, hg.
u. kommentiert von G. Nicolin u. G. Guntermann, Göttingen 2018, 160-161. - Zu Sternbergers
Tätigkeit im H. Goverts Verlag vgl. A.-M. Wallrath-Janssen: Der Verlag H. Goverts im Dritten Reich,
München 2007, 432-438. - Dr. phil. Eugen Claassen (1895-1955) war ebenfalls für die Frankfurter
Zeitung tätig und leitete den Societäts-Verlag (Frankfurt/M.). Nach dem Ausstieg seines Partners
Henry Goverts führte er den H. Goverts Verlag als Claassen-Verlag weiter. Vgl. den Nachruf von
E. L. Hauswedell: »Dr. Eugen Claassen«, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Frankfurter
Ausgabe, Nr. 38, 13. Mai 1955,301.
20 Vgl. E. Claassen an D. Sternberger, 26. August 1944, in: E. Claassen: In Büchern denken. Briefwechsel
mit Autoren und Übersetzern, ausgewählt u. hg. von H. Claassen, Hamburg, Düsseldorf 1970, 494.
21 D. Sternberger an E. Claassen, 15./16. September 1944, DLA, A: Sternberger/»Panorama«.
22 Ebd. - Gemeint ist damit der Nachlasstext Grundsätze des Philosophierens von 1942/43, der 2019
vollständig in deutscher Erstfassung im Rahmen der KJG erschienen ist (KJG ll/i). Zu diesen
Publikationsüberlegungen vgl. auch B. Weidmann: »Einleitung des Herausgebers«, KJG II/i, VII-
LXXXV, hier: LXXII.
Einleitung des Herausgebers
Zur Gruppe derer, die an die Zeit nach dem Krieg dachten, gehörte der von Eugen
Claassen und Henry Goverts 1934 gegründete H. Goverts Verlag in Hamburg. In des-
sen Auftrag sondierte der mit Jaspers gut befreundete Dolf Sternberger im Spätsommer
1944 die generelle Möglichkeit von Publikationen.19 Ausführlich berichtete er Claas-
sen von einem vertraulichen Gespräch mit Jaspers, das zwischen dem 26. August und
dem 15. September 1944 stattgefunden haben muss.2° Demnach fühle sich Jaspers »an
Springer überhaupt nicht in dem Maße gebunden, wie ich vermutet hatte, hat ja auch
früher schon etliches bei de Gruyter und anderswo verlegen lassen.«21 Als fertig vor-
liegend habe Jaspers in jenem Gespräch erwähnt: Nietzsche und das Christentum, fer-
ner »eine Folge von zehn größeren Abhandlungen, die ursprünglich als ein zusam-
menhängendes Buch für das allgemeinste Publikum gedacht war, inzwischen aber
rein räumlich darüber hinausgewachsen ist und nach seiner letzten Meinung eher als
eine Serie kleiner Bücher publizierbar wäre«,22 sowie »das Hauptstück und der größte
Brocken: die >Logik<. Jaspers selbst sieht in diesem Plan [...] sein eigentliches zentra-
les Lebenswerk. [...] Und es wird wohl wirklich [...] die erste große philosophische,
sen. Die Bestimmungen über Autoren, die mit einer Frau jüdischer Abstammung verheiratet
sind, erlauben eine Veröffentlichung ohne ausdrückliche ministerielle Genehmigung nicht. [...]
Die Prüfung des Manuskripts hat zu der Entscheidung geführt, daß wir die Arbeit nicht veröf-
fentlichen dürfen. [...] Unser Vorstoß zugunsten seiner Arbeit ist gescheitert - es mag sein, daß
für ein fachwissenschaftliches Werk wie die Psychopathologie, deren Neuauflage, wie Sie wis-
sen werden, in Vorbereitung ist, eine solche Barriere nicht errichtet wird«. (H. Köster an G. Rad-
bruch, 19. Januar 1943, UBH, Nachl. G. Radbruch). Vgl. hierzu auch D. Mußgnug: Die vertriebe-
nen Heidelberger Dozenten. Zur Geschichte der Ruprecht-Karls-Universität nach 1933, Heidelberg 1988,
130-131; D. Kaegi, A. U. Sommer: »Einleitung der Herausgeber«, in: K. Jaspers: Nietzsche, KJG I/18,
VII-LXXIII, hier: XL-XLIII.
19 Der Essayist und Politikwissenschaftler Dolf Sternberger (1907-1989) promovierte 1932 mit der
Dissertation Der verstandene Tod. Eine Untersuchung zu Martin Heideggers Existenzialontologie (Leip-
zig U34), ab 1934 war er Redakteur der Frankfurter Zeitung bis zu seinem Berufsverbot 1943. 1955
wurde er als Prof, für Politische Wissenschaft an die Heidelberger Universität berufen. Vgl. zu
Sternbergers Leben und Wirken S. Andres: Briefe von und an Stefan Andres. 1930-1970, Auswahl, hg.
u. kommentiert von G. Nicolin u. G. Guntermann, Göttingen 2018, 160-161. - Zu Sternbergers
Tätigkeit im H. Goverts Verlag vgl. A.-M. Wallrath-Janssen: Der Verlag H. Goverts im Dritten Reich,
München 2007, 432-438. - Dr. phil. Eugen Claassen (1895-1955) war ebenfalls für die Frankfurter
Zeitung tätig und leitete den Societäts-Verlag (Frankfurt/M.). Nach dem Ausstieg seines Partners
Henry Goverts führte er den H. Goverts Verlag als Claassen-Verlag weiter. Vgl. den Nachruf von
E. L. Hauswedell: »Dr. Eugen Claassen«, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Frankfurter
Ausgabe, Nr. 38, 13. Mai 1955,301.
20 Vgl. E. Claassen an D. Sternberger, 26. August 1944, in: E. Claassen: In Büchern denken. Briefwechsel
mit Autoren und Übersetzern, ausgewählt u. hg. von H. Claassen, Hamburg, Düsseldorf 1970, 494.
21 D. Sternberger an E. Claassen, 15./16. September 1944, DLA, A: Sternberger/»Panorama«.
22 Ebd. - Gemeint ist damit der Nachlasstext Grundsätze des Philosophierens von 1942/43, der 2019
vollständig in deutscher Erstfassung im Rahmen der KJG erschienen ist (KJG ll/i). Zu diesen
Publikationsüberlegungen vgl. auch B. Weidmann: »Einleitung des Herausgebers«, KJG II/i, VII-
LXXXV, hier: LXXII.