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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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Karl Jaspers - Piper Verlag (1947)

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In der gegenwärtigen europäischen Diskussion ist die Frage des Sozialismus eine
der beherrschenden. Dabei ist immer wieder festzustellen, daß die wenigsten mit die-
sem Begriff ein klares Wissen verbinden. Dies trifft besonders für den Marxismus zu.
Ich kann dabei von mir selbst ausgehen. Ich glaube, aus Gesprächen vieler Jahre und
durch mannigfache Lektüre eine ziemlich zutreffende Vorstellung von den wichtig-
sten Denkelementen des Marxismus (und historischen Materialismus) zu besitzen.
Aber genügt dies? Ist es nicht naheliegend, heute für breitere Kreise derer, die sich ori-
entieren wollen, eine sachliche Darstellung des Wesentlichen aus dem Werk von Karl
Marx zu bringen, also nicht eine Kritik des Marxismus, auch nicht eine Übersicht über
die Weiterentwicklung der Theorien von Marx, sondern eben eine konzentrierte, les-
bare, das Ganze seines Werkes auf etwa 250 Seiten zusammenfassende Darstellung des
Werkes von Marx selbst. Würden nicht durch eine solche Schrift viele Diskussionen
mehr Inhalt bekommen? Freilich gibt es gegen den Plan Einwände. So könnte man
sagen, daß eine »objektive« Darstellung des Marxismus heute gar nicht möglich sei,
oder daß der Marxismus, unbeschadet seiner faktisch wichtigen Position als Soziolo-
gie in der Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts und unbeschadet seiner gewaltigen
politischen Folgen, heute für die deutsche Intelligenz, gerade auch unter der Jugend,
kein Thema erster Dringlichkeit sei. Aber ich glaube doch, daß sachliche Aufklärung
wichtig ist, gerade wenn Marx heute, wie auch von Ihnen in der Rede »Vom Europä-
ischen Geist«, Kierkegaard und Nietzsche als den geistigen Sprengkörpern des 19. Jahr-
hunderts zugesellt wird."6
Wenn ich Ihre Zeit mit meiner Frage nicht unbillig in Anspruch nehme, würde ich
mich sehr freuen, wenn Sie mir kurz Ihre Meinung sagen könnten. Vielleicht können
Sie gerade aus den Erfahrungen mit Ihren Studenten und Hörern etwas sagen, was für
mich sehr aufschlußreich wäre.
Sehr dankbar bin ich Ihnen, daß Sie in so freundlicher Weise mit Herrn Profes-
sor Salin gesprochen haben. Ich hoffe sehr, daß wir ihn endgültig für einen Band in
unserer Reihe gewinnen werden."7
Dem Fortgang Ihres großen Werkes widmen wir nach wie vor alle Aufmerksam-
keit. Fräulein Troeltsch ist soeben wieder in Stuttgart, um persönlich bei der Drucke-
rei nach dem Rechten zu sehen. Ich werde in der zweiten Aprilhälfte auch selbst nach
Stuttgart kommen. In Ihrem Brief vom 4.3. erwähnten Sie, daß Sie auf ein eigenes Vor-
wort verzichten wollen, da alles Sachlich-Notwendige in der Einleitung steht. Auch
ich halte dies für richtig.
Zum Schluß möchte ich Ihnen, sehr verehrter Herr Professor, noch besonders
sagen, wie sehr mich Ihre Nachricht gefreut hat, daß Sie mit einem neuen Buch »Deut-
sche Selbstbesinnung« beschäftigt sind und daran denken, diese Arbeit unserem Ver-
lag anzuvertrauen. Ist es noch verfrüht oder darf ich mich schon danach erkundi-
gen, in welcher Weise Sie dieses so außerordentlich wichtige Thema behandeln, mehr
 
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