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Karl Jaspers - Piper Verlag (1956)
Ich will Frau Hersch in meinem Brief fragen, ob sie nicht Lust hätte, 14 Tage nach
Deutschland zu fahren, um hier mit einigen führenden aktiven und theoretischen
Politikern und Publizisten zusammenzutreffen, auch mit Gewerkschaftlern und eini-
gen Industriellen zu sprechen, um so aus der hiesigen, gegenüber Frankreich wohl
gewissermassen fortgeschrittenen gesellschaftlichen Wirklichkeit Erfahrungen zu
sammeln, aus denen heraus sie doch für eine deutsche Ausgabe ihres Ideologien-
Buchs diesem gewisse Differenzierungen ihrer Urteile anfügen könnte, die den Wert
der, wie gesagt, in Vielem schönen und eindrucksvollen Arbeit steigern würden.781
Auch eine - bisher fehlende - kritische Einführung zum Begriff der Ideologie (z.B.
Ideologie und Idee; Ideologie und Utopie, Krise der Ideologie zu Beginn des post-
revolutionären Zeitalters, Revolution im Sinn der bisherigen Geschichte verstanden)
scheint mir wichtig zu sein.
In Bad Gastein hatten wir wunderbare winterliche Sonnentage, nur anfangs allzu
kalt. Meine Frau empfand auch diesmal das erste Mal die besondere, belebende Wir-
kung der Schnee-Luft.
Mit herzlichen Grüssen, besonders auch an Ihre liebe Gattin, denen sich meine
Frau sehr anschliesst,
Ihr
Klaus Piper
150 Karl Jaspers an Klaus Piper
Typoskript; DLA, A: Piper, mit dem Stempel Prof. Karl Jaspers Basel Austrasse 126
Beigefügt ist eine undatierte Gesamtdisposition der »Großen Philosophen« (Typoskript; ebd.).
Basel, den 11. Mai 1956
Lieber Herr Piper!
Schönen Dank für Ihren Brief vom 4. Mai. Ihr Besuch ist diesmal vielleicht besonders
wichtig, trotz der scheinbaren Erledigung der Grundfragen bei unserer letzten Bespre-
chung. Am Mittwoch, den 13. Juni, ist Vorlesungstag, da ist es mir leider unmöglich,
Sie zu sprechen. Sie wissen ja, wie schonsam ich mit meinen körperlichen Kräften
umgehen muss. Am Donnerstag, den 14. Juni, aber bin ich frei (wenn nicht wider
Erwarten ein Doktorexamen oder ein amtlicher Vorgang dazwischenkommt: das
würde ich vermutlich verhindern können). Dann könnten wir uns vormittags V2 12
sprechen. Sie würden mit Ihrer Frau bei uns essen, nachher müssen wir, wie Sie sich
erinnern, gleich schlafen und nachmittags würden wir unser Gespräch um 5 Uhr fort-
setzen können.
Nun einige wenige Worte, ganz vorläufig, zur Sache. Sie könnten sich mit Recht
beklagen, dass ich zu früh von einem nicht fertigen Werk gesprochen habe. Mein
Karl Jaspers - Piper Verlag (1956)
Ich will Frau Hersch in meinem Brief fragen, ob sie nicht Lust hätte, 14 Tage nach
Deutschland zu fahren, um hier mit einigen führenden aktiven und theoretischen
Politikern und Publizisten zusammenzutreffen, auch mit Gewerkschaftlern und eini-
gen Industriellen zu sprechen, um so aus der hiesigen, gegenüber Frankreich wohl
gewissermassen fortgeschrittenen gesellschaftlichen Wirklichkeit Erfahrungen zu
sammeln, aus denen heraus sie doch für eine deutsche Ausgabe ihres Ideologien-
Buchs diesem gewisse Differenzierungen ihrer Urteile anfügen könnte, die den Wert
der, wie gesagt, in Vielem schönen und eindrucksvollen Arbeit steigern würden.781
Auch eine - bisher fehlende - kritische Einführung zum Begriff der Ideologie (z.B.
Ideologie und Idee; Ideologie und Utopie, Krise der Ideologie zu Beginn des post-
revolutionären Zeitalters, Revolution im Sinn der bisherigen Geschichte verstanden)
scheint mir wichtig zu sein.
In Bad Gastein hatten wir wunderbare winterliche Sonnentage, nur anfangs allzu
kalt. Meine Frau empfand auch diesmal das erste Mal die besondere, belebende Wir-
kung der Schnee-Luft.
Mit herzlichen Grüssen, besonders auch an Ihre liebe Gattin, denen sich meine
Frau sehr anschliesst,
Ihr
Klaus Piper
150 Karl Jaspers an Klaus Piper
Typoskript; DLA, A: Piper, mit dem Stempel Prof. Karl Jaspers Basel Austrasse 126
Beigefügt ist eine undatierte Gesamtdisposition der »Großen Philosophen« (Typoskript; ebd.).
Basel, den 11. Mai 1956
Lieber Herr Piper!
Schönen Dank für Ihren Brief vom 4. Mai. Ihr Besuch ist diesmal vielleicht besonders
wichtig, trotz der scheinbaren Erledigung der Grundfragen bei unserer letzten Bespre-
chung. Am Mittwoch, den 13. Juni, ist Vorlesungstag, da ist es mir leider unmöglich,
Sie zu sprechen. Sie wissen ja, wie schonsam ich mit meinen körperlichen Kräften
umgehen muss. Am Donnerstag, den 14. Juni, aber bin ich frei (wenn nicht wider
Erwarten ein Doktorexamen oder ein amtlicher Vorgang dazwischenkommt: das
würde ich vermutlich verhindern können). Dann könnten wir uns vormittags V2 12
sprechen. Sie würden mit Ihrer Frau bei uns essen, nachher müssen wir, wie Sie sich
erinnern, gleich schlafen und nachmittags würden wir unser Gespräch um 5 Uhr fort-
setzen können.
Nun einige wenige Worte, ganz vorläufig, zur Sache. Sie könnten sich mit Recht
beklagen, dass ich zu früh von einem nicht fertigen Werk gesprochen habe. Mein