276
Karl Jaspers - Piper Verlag (1956)
gegenüber den Ereignissen in Ungarn eine beängstigend undeutliche Haltung einge-
nommen.842
Die große Bedeutung Ihrer Schrift über die Atombombe sehe ich darin, daß das
Beiseiteräumen von Illusionen und falschen Gedanken, das Aufzeigen der Gefahr
und der menschlichen Beschaffenheit der Welt, die von der Gefahr bedroht ist, das
Bekenntnis zur Unerlässlichkeit der Vernunft, zum sittlichen Gehalt politischen Han-
delns und zur Freiheit als Realität - dass dies Werte sind, die nicht relativiert werden
können und die durch Ihre Schrift Impulse der Führung und Ermutigung bei vielen
Menschen erwecken werden.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr
Klaus Piper
162 Karl Jaspers an Klaus Piper
Manuskript; DLA, A: Piper
Basel, 19.12.56
Lieber Herr Piper!
Heute schicke ich Ihnen den Schilpp-Band über meine Philosophie. Nehmen Sie
ihn, bitte, als mein Weihnachtsgeschenk. Natürlich ist der Band nicht zum Lesen für
Sie, aber vielleicht zum Blättern. Meine philosophische Autobiographie wird Sie, bei
Ihrem freundlichen Interesse für mich, vielleicht interessieren.843
Ich habe Ihnen noch zu danken für den Bericht aus Russland in der »Zeit«844 und
Ihren Brief, in dem Sie von den Äusserungen Witsch' erzählen. Ja, es ist immer die
grosse Gefahr, die Witsch im Gleichnis ausgesprochen hat. Concret ist es die Möglich-
keit, dass bei der faktischen Führerlosigkeit in Russland die Armee immer stärker und
immer selbständiger wird und dass ein General schliesslich einmal mit diesem gewal-
tigen Werkzeug operieren möchte. Schukow ist mit 60 Jahren hoffentlich besonnen
genug, das grosse totale Risiko zu unterlassen.845
Von dem bisherigen guten Fortgang des Satzes der grossen Philosophen und Herrn
Krausses sorgfältige Beschäftigung mit der Sache werden Sie orientiert sein. Dr. Sauer
liest vortrefflich Correktur. Einige Ergänzungen und Streichungen kommen hinzu.
Ich selber, wenn ich auch nicht allen Text lese, denke noch über die möglichst beste
Gestaltung nach und mache manche Vorschläge. Ich hoffe, dass schliesslich ein
schöner, ansehnlicher und überall auch aesthetisch erfreulicher Band herauskommt.
Noch aber müssen wir uns anstrengen.
Eben kommt das Buch von Compton, dessen Exist[enz] Sie bemerkt haben und
dessen Zusendung ich Ihnen verdanke. Ich bin gespannt. Aus der Atomrede wird ein
Karl Jaspers - Piper Verlag (1956)
gegenüber den Ereignissen in Ungarn eine beängstigend undeutliche Haltung einge-
nommen.842
Die große Bedeutung Ihrer Schrift über die Atombombe sehe ich darin, daß das
Beiseiteräumen von Illusionen und falschen Gedanken, das Aufzeigen der Gefahr
und der menschlichen Beschaffenheit der Welt, die von der Gefahr bedroht ist, das
Bekenntnis zur Unerlässlichkeit der Vernunft, zum sittlichen Gehalt politischen Han-
delns und zur Freiheit als Realität - dass dies Werte sind, die nicht relativiert werden
können und die durch Ihre Schrift Impulse der Führung und Ermutigung bei vielen
Menschen erwecken werden.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr
Klaus Piper
162 Karl Jaspers an Klaus Piper
Manuskript; DLA, A: Piper
Basel, 19.12.56
Lieber Herr Piper!
Heute schicke ich Ihnen den Schilpp-Band über meine Philosophie. Nehmen Sie
ihn, bitte, als mein Weihnachtsgeschenk. Natürlich ist der Band nicht zum Lesen für
Sie, aber vielleicht zum Blättern. Meine philosophische Autobiographie wird Sie, bei
Ihrem freundlichen Interesse für mich, vielleicht interessieren.843
Ich habe Ihnen noch zu danken für den Bericht aus Russland in der »Zeit«844 und
Ihren Brief, in dem Sie von den Äusserungen Witsch' erzählen. Ja, es ist immer die
grosse Gefahr, die Witsch im Gleichnis ausgesprochen hat. Concret ist es die Möglich-
keit, dass bei der faktischen Führerlosigkeit in Russland die Armee immer stärker und
immer selbständiger wird und dass ein General schliesslich einmal mit diesem gewal-
tigen Werkzeug operieren möchte. Schukow ist mit 60 Jahren hoffentlich besonnen
genug, das grosse totale Risiko zu unterlassen.845
Von dem bisherigen guten Fortgang des Satzes der grossen Philosophen und Herrn
Krausses sorgfältige Beschäftigung mit der Sache werden Sie orientiert sein. Dr. Sauer
liest vortrefflich Correktur. Einige Ergänzungen und Streichungen kommen hinzu.
Ich selber, wenn ich auch nicht allen Text lese, denke noch über die möglichst beste
Gestaltung nach und mache manche Vorschläge. Ich hoffe, dass schliesslich ein
schöner, ansehnlicher und überall auch aesthetisch erfreulicher Band herauskommt.
Noch aber müssen wir uns anstrengen.
Eben kommt das Buch von Compton, dessen Exist[enz] Sie bemerkt haben und
dessen Zusendung ich Ihnen verdanke. Ich bin gespannt. Aus der Atomrede wird ein