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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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Karl Jaspers - Piper Verlag (1956)

275

Was den Prospekt anbelangt, so verstehe ich Ihr Bedenken gegen einen Abdruck
von Teilstücken aus den einzelnen Philosophen. Ich möchte aber noch nicht von dem
Gedanken Abstand nehmen, in dem Prospekt auch eine Probe aus der Hauptsubstanz
des Werkes, der Darstellung der Philosophen, vorzuführen. Wie wäre es, wenn wir nur
von einem Philosophen eine größere Stelle im Umfang von vielleicht acht Drucksei-
ten (Buchformat) vorführen würden? Ließe sich dazu nicht eine Stelle finden, in der
zu einem Philosophen ein wesentlicher Aspekt entwickelt ist, und die darin ein Gan-
zes ist? - Wenn Sie aber auch dies nicht für richtig halten, dann beschränken wir uns
auf einen knappen Text des Verlags, dazu die möglichst ausführliche Wiedergabe der
Inhaltsübersicht und einen Abdruck aus der Einleitung.837
Die politischen Ereignisse lassen einen nicht los. Kürzlich war abends der Verleger
Dr. Witsch bei mir, der erst einige Jahre nach dem Krieg aus Jena nach Köln ging.838 In
der politischen Abteilung seines Verlags befaßt er sich laufend auch mit Literatur zum
Bolschewismus usw. Die Revolution von 1917 sei von einer ideologischen Basis ausge-
gangen. Im Ideologischen würde deshalb auch der Zerfall beginnen. Die reale Gefahr
seien die inneren Spannungen zwischen der jetzt beginnenden ideologischen Zerset-
zung und dem physischen Kraftgefühl Russlands. Ein riesiger Körper, in dem solche
Spannungen herrschten, könne plötzlich blind um sich schlagen.
Eine kleine Anekdote erzählte mir vor ein paar Tagen Hermann Proebst, der
sehr gescheite stellvertretende Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung:839 Bericht
eines journalistischen Freundes, der auf dem Flugplatz in Belgrad anwesend war, als
Chruschtschow und Bulganin zum Versöhnungsbesuch bei Tito eintrafen: Chrusch-
tschow, schwerfällig watschelnd wie eine dicke Ente mit dem wie ein Postsekretär
aussehenden Bulganin zum Mikrofon gehend, dort ölige Begrüßungsansprache über
den Heldenmut des jugoslawischen Volkes und die Größe seines Führers Tito. Die-
ser mit unbewegtem Gesicht vor einer Kompanie baumlanger, ebenso undurchdring-
lich-abweisender Soldaten. Ende von Chruschtschows Ansprache ins Mikrofon. - Tito
geht nun nicht etwa selbst zum Mikrofon, um für die Begrüßung zu danken. Nein, er
macht eine stumme Kehrtwendung, geht zu seinem Auto und fährt in Richtung Bel-
grad davon, die beiden Gäste seinen Beamten überlassend.840
Beschimpfungen in der großen Politik sind wohl immer ein Zeichen von Schwä-
che. Man möchte inständig hoffen, daß die »Dekomposition« in Sowjetrussland letzt-
lich doch ein interner Vorgang bleibt, trotz der furchtbaren Ereignisse in Ungarn.841 Es
ist aber gewiß die gegenwärtige Weltsituation derart beschaffen, daß sie ein mensch-
liches Gehirn nicht durchschauen kann. Von einem anderen Stern aus gesehen,
sieht unsere Erde vielleicht wie die Szenerie eines ungeheueren Anpassungsprozes-
ses aus: das menschliche Fühlen, Denken, Handeln fängt erst an, sich den Bedingun-
gen der modernen technischen Welt anzupassen. Alle sind noch Anfänger in die-
sem Prozess. Bestimmt sind es auch die Mehrzahl der Politiker. Selbst Nehru hat doch
 
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