Karl Jaspers - Piper Verlag (1958)
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192 Klaus Piper an Karl Jaspers
Typoskript; DLA, A: Jaspers, aufBriefpapier des R. Piper & Co Verlags München
München, den 15. Juli 1958
Lieber Herr Professor,
haben Sie herzlichen Dank für Ihre letzten beiden Briefe.994 Ganz besonders habe ich
mich über den ersten gefreut, in dem Sie auf meine Unpässlichkeit in Wien mit so teil-
nehmenden Worten zurückkamen. Die persönliche Aufgabe, die ich lösen muss, ist in
der Tat, eine noch gleichmässigere innere Gelassenheit zu erreichen. Goethe spricht
einmal von einem Fortifikations-System, mit dem man sein inneres Zentrum umge-
ben müsse.995 Meine Gefühlslage neigt manchmal dazu, Dinge in Verkennung ihrer
wahren Proportion in der ersten Reaktion zu »groß« zu nehmen, das heisst, mittlere,
oder kleinere Vorgänge ins »Innere der Festung« hineinzulassen, statt sie mit gefühls-
mässiger Distanz draussen am Tor abzumachen (wobei ja die Erledigung als solche im
Vorfeld gar nicht zu leiden braucht).
Mein Optimismus in Bezug auf eine grosse Wirkung Ihres Buchs über DIE ATOM-
BOMBE ist durch den faktischen Verlauf bis jetzt in erfreulicher Weise bestätigt: Die
erste Auflage ist bis auf 100 Exemplare, die wir hier im Haus als eiserne Ration für die
nächsten 14 Tage in Reserve halten, vergriffen. Wie ich neulich schon Frau Arendt
schrieb,996 arbeitet die Druckerei mit Hochdruck, sodass die zweite Auflage - 9. bis
15. Tausend - pünktlich ab 1. August lieferfähig sein wird. Die erste Auflage betrug
genau 7700 Ex., davon gingen 200 kartonierte Lesestücke an die Buchhändler weg
und werden einschliesslich der jetzt laufenden Versendung von Dedikationsstücken
an Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, ferner mit den reichlich
disponierten Presse-Exemplaren, an wichtige Schriftsteller usw. 4-500 gebundene
Freistücke abgehen.
Die zweite Auflage liessen wir textlich ganz unverändert in Druck gehen. Ich danke
Ihnen für Ihre Bereitschaft, ein zweites Vorwort - unter Verwendung der Rundfunk-
einleitungen - zu schreiben. Eine eigene Klarstellung jetzt im Buche, dass dieses kei-
ner Partei zuliebe geschrieben ist, halte ich nicht für erforderlich. Es ist ja der Tenor der
meisten Besprechungen, dass keine der Parteien Ihre Gedanken für sich in Anspruch
nehmen könne. Ich denke, ein zweites Vorwort sollte erst in einer Auflage kommen,
die im Herbst in Druck geht (die dritte werden wir, wenn es so weiter geht, wohl schon
im August drucken müssen); im Herbst können Sie die verschiedenen Reaktionen bes-
ser übersehen und von diesem Überblick bei der Abfassung eines neuen Vorworts aus-
gehen. Die kleine technische Schwierigkeit wäre nicht schlimm, Herr Krauße würde
einfach ein Blatt mit römischer Pagina (I und II) einschalten.
Inzwischen ist das Buch auch in der Schweiz ausgeliefert. Dort dauert es wegen
des Transportes und der Zollformalitäten immer etwas länger. Das Buch scheint auch
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192 Klaus Piper an Karl Jaspers
Typoskript; DLA, A: Jaspers, aufBriefpapier des R. Piper & Co Verlags München
München, den 15. Juli 1958
Lieber Herr Professor,
haben Sie herzlichen Dank für Ihre letzten beiden Briefe.994 Ganz besonders habe ich
mich über den ersten gefreut, in dem Sie auf meine Unpässlichkeit in Wien mit so teil-
nehmenden Worten zurückkamen. Die persönliche Aufgabe, die ich lösen muss, ist in
der Tat, eine noch gleichmässigere innere Gelassenheit zu erreichen. Goethe spricht
einmal von einem Fortifikations-System, mit dem man sein inneres Zentrum umge-
ben müsse.995 Meine Gefühlslage neigt manchmal dazu, Dinge in Verkennung ihrer
wahren Proportion in der ersten Reaktion zu »groß« zu nehmen, das heisst, mittlere,
oder kleinere Vorgänge ins »Innere der Festung« hineinzulassen, statt sie mit gefühls-
mässiger Distanz draussen am Tor abzumachen (wobei ja die Erledigung als solche im
Vorfeld gar nicht zu leiden braucht).
Mein Optimismus in Bezug auf eine grosse Wirkung Ihres Buchs über DIE ATOM-
BOMBE ist durch den faktischen Verlauf bis jetzt in erfreulicher Weise bestätigt: Die
erste Auflage ist bis auf 100 Exemplare, die wir hier im Haus als eiserne Ration für die
nächsten 14 Tage in Reserve halten, vergriffen. Wie ich neulich schon Frau Arendt
schrieb,996 arbeitet die Druckerei mit Hochdruck, sodass die zweite Auflage - 9. bis
15. Tausend - pünktlich ab 1. August lieferfähig sein wird. Die erste Auflage betrug
genau 7700 Ex., davon gingen 200 kartonierte Lesestücke an die Buchhändler weg
und werden einschliesslich der jetzt laufenden Versendung von Dedikationsstücken
an Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, ferner mit den reichlich
disponierten Presse-Exemplaren, an wichtige Schriftsteller usw. 4-500 gebundene
Freistücke abgehen.
Die zweite Auflage liessen wir textlich ganz unverändert in Druck gehen. Ich danke
Ihnen für Ihre Bereitschaft, ein zweites Vorwort - unter Verwendung der Rundfunk-
einleitungen - zu schreiben. Eine eigene Klarstellung jetzt im Buche, dass dieses kei-
ner Partei zuliebe geschrieben ist, halte ich nicht für erforderlich. Es ist ja der Tenor der
meisten Besprechungen, dass keine der Parteien Ihre Gedanken für sich in Anspruch
nehmen könne. Ich denke, ein zweites Vorwort sollte erst in einer Auflage kommen,
die im Herbst in Druck geht (die dritte werden wir, wenn es so weiter geht, wohl schon
im August drucken müssen); im Herbst können Sie die verschiedenen Reaktionen bes-
ser übersehen und von diesem Überblick bei der Abfassung eines neuen Vorworts aus-
gehen. Die kleine technische Schwierigkeit wäre nicht schlimm, Herr Krauße würde
einfach ein Blatt mit römischer Pagina (I und II) einschalten.
Inzwischen ist das Buch auch in der Schweiz ausgeliefert. Dort dauert es wegen
des Transportes und der Zollformalitäten immer etwas länger. Das Buch scheint auch