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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.71782#0448
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Karl Jaspers - Piper Verlag (1959)

347

Wie Sie spüre ich »das Unheil, das in der Luft liegt«. Ich schwanke manchen Tag in
der Stimmung. Unterscheidet man Richtungsprognose und Streckenprognose, so sehe
ich in ersterer fast nur Schwarzes (ohne mich auch da vom Pessimismus ganz düpie-
ren zu lassen), was die Streckenprognose betrifft (die zeitlichen Termine des Unheils),
so denke ich heute so: Es wird wegen Berlin keinen Weltkrieg geben, denn Chrusch-
tschows Äusserungen und Verhalten lassen erkennen, dass er wirklich den Krieg noch
nicht will. Auch ist objektiv die Lage so, dass Russlands Chancen durch eine weitere
Friedenszeit für einen späteren Krieg wachsen. Es ist ganz anders wie bei Hitler, der
den Krieg wollte und 1938 höchst unwillig war, dass er ihn wegen der phantastischen
Nachgiebigkeit der Anderen noch nicht erreichte.
Aber unmittelbar ist die Sorge für Berlin gross. Ich fürchte ein Arrangement - viel-
leicht in akut verschärfter Situation mit Hilfe der Uno -, das zunächst harmlos aus-
sieht, nicht unmittelbar schlimme Folgen für die Berliner hat, aber faktisch für die
weiteren Jahre die Preisgabe bedeutet, die Schritt für Schritt realisiert würde. Das
wäre gegenüber den Berlinern ein Verrat, für Europa und den Westen ein Ereignis, das
unaufhaltsame Folgen hätte.
Sie treffen den entscheidenden Punkt: wollen die Europäer die Freiheit und rechts-
staatliche Lebensform wirklich bewahren? Wissen siea bis in ihr Herz, was das ist? Und
wollen es die Amerikaner?
Wir hoffen darauf. Unsere ganze geistige Arbeit ist die am Bewusstsein derer, die
uns lesen und hören, in solcher Richtung.
Wir können nichts - wie Sie, nach unseren Erfahrungen von 60 Jahren (Sie: dreis-
sig Jahren) sagen, - nicht einfach guten Mutes sein. Aber kein vernünftiger Mensch
verzweifelt.
Herzlich Ihr Karl Jaspers
207 Klaus Piper an Karl Jaspers
Typoskript; DLA, A: Jaspers, aufBriefpapier des R. Piper & Co Verlags München
München, den 24. April 1959
Lieber Herr Professor,
ich danke Ihnen vielmals für Ihren Brief vom 30. März. Sehr freute ich mich, durch
Ihren Brief zu erfahren, dass Ihr Gesundheitszustand wieder gut geworden war. Ich
hoffe, Sie fühlen sich inzwischen wieder so frisch, dass Sie ohne Sorge wegen des Kräf-
teeinsatzes an die mit dem neuen Semester beginnenden Vorlesungen denken können.

a statt sie im Manuskript Sie
 
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