392

Karl Jaspers - Piper Verlag (1960)

Das intensive Lesen des gesamten Textes war mir ein starkes Erlebnis. Ich bin stolz,
diese Schrift zu verlegen. Es ist alles von einer so großartigen Klarheit in Gedanken, im
Aufzeigen der Tatbestände und ihrer Konsequenzen, im Vertreten der politischen und
ethisch-menschlichen Forderungen. Mir selbst ist jetzt im Mit-Durchdenken noch
Vieles klarer geworden. Die Deutschen müssen Ihnen dankbar dafür sein, daß Sie es
auf sich genommen haben, in dieser überzeugenden, knappen und plastischen Weise
Ihr Wort zu sagen zur entscheidenden Frage, die Deutschland sich selbst zu stellen
hat - ob es jetzt, nach allem Irrtum, Wahn und entsetzlichem Unglück den Weg gehen
will, bei dem allein die Wirklichkeit »Deutschland« und der Friede erhalten bleiben
werden, oder ob es, zum dritten und letzten Mal, sich von falschen Gefühlen und Zie-
len verführen lassen wird - hin zum sicheren Untergang.
Druck und Bindung werden planmäßig ablaufen. Für den Umschlag, von dem
ich einen Andruck beifüge, hatten wir zunächst, weil es die stärkste Farbwirkung ver-
sprach, neben Weiß, Rot und Schwarz gewählt. Es könnte aber dies Schwarz-Weiß-Rot
doch irreführend wirken, weshalb wir uns für ein kräftiges dunkleres Gelb entschie-
den, bei dem das Schwarz des Titels stark herauskommt, und wobei sich die Schrift
auch von den Farben der ATOMBOMBE und der Friedenspreis-Broschüre abhebt.
Die Versendung der Dedikations-Exemplare an führende Persönlichkeiten aus
dem öffentlichen Leben Deutschlands will ich, wie Ihnen angekündigt, in großem
Umfang durchführen. Meinen Schwager, den Chefredakteur des »Vorwärts«,1238 bitte
ich, mir die Anschriften aller führenden Leute der SPD und Gewerkschaften zugehen
zu lassen, damit auch »diese Seite« gehörig erfaßt wird. Für wichtig halte ich es auch,
daß die Chef-Redakteure der großen Zeitungen, die Intendanten und Programm-
Direktoren der Rundfunk-Anstalten (auch die Fachredakteure) die Schrift bekom-
men; ferner die Präsidenten der oberen Bundesbehörden, der Industrie- und Han-
delskammern, der Wirtschaftsverbände (wegen letzteren wende ich mich an den mir
bekannten Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie,1239
der zugleich die Arbeiten des Kulturkreises im Bundesverband leitet).
Es tut mir sehr leid, daß sich nach Ihrer letzten Erkältung Ihre völlige Frische nur
langsam wieder herstellt. Ob vielleicht das ungewöhnlich warme Wetter der letzten
Wochen mit daran schuld war? Seit einigen Tagen haben wir hier die normale vorwin-
terliche Frische des November. Ich hoffe sehr, daß Sie sich bald wieder ganz wohlfüh-
len können. Wie geht es Ihrer lieben Gattin? Hannah Arendt hat sich soeben in einem
Brief nach Ihrer Beider Ergehen erkundigt.1240 Ich werde ihr in meiner Antwort über
unser Zusammensein in Heidelberg schreiben.1241
Mit herzlichen Grüßen und dem Wunsch, daß Sie die wieder begonnenen Vorle-
sungen nicht belasten,
Ihr
Klaus Piper