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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.71782#0563
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Karl Jaspers - Piper Verlag (1963)

274 Karl Jaspers an Klaus Piper
Typoskript; DLA, A: Piper, mit dem Stempel Prof. Karl Jaspers Basel Austrasse 126
Basel, den 31. Dezember 1963
Lieber Herr Piper!
Wieder habe ich Ihnen für die Weihnachtsbücher und Pakete zu danken. Wir legten
sie auf unseren Weihnachtstisch und freuten uns daran. Der Altdorfer ist besonders
schön.1467
Der Untertitel zum Cusanus, den ich auf Ihren am Telephon geäusserten Wunsch
erwog, ist, wie ich zu meiner Freude Ihrem Brief vom 16.12. entnehme, auch von
Ihnen und Herrn Dr. Rössner verworfen. Ich war, nachdem meine Frau sofort nein
gesagt hatte, zum gleichen Ergebnis gekommen. Propaganda ist gut, aber sie darf
nicht in den Buchtitel dringen. In meinem Manuskript, werden Sie inzwischen gese-
hen haben, fällt denn auch der Untertitel weg.
Das Buch von Fest habe ich inzwischen ganz gelesen. Das beweist, wie lebhaft es
mich interessiert. Mein Urteil ist geblieben. Das Wahnsinnige, noch heute eigentlich
Unbegreifliche der Ereignisse jener Jahre, wird hier im Spiegel der Personen gezeigt,
die damals eine führende Rolle spielten. Man erstaunt, wie vielfältig sie waren, und
sogleich, wie sie alle doch faktisch in dem Einen zusammentrafen. Sie hielten -
bewusst oder mehr oder weniger unbewusst - das selbsterzeugte Chaos durch Ter-
ror und Betrug in einer Ordnung, die in ihrem wüsten Mechanismus, in dem alle
vor allem Angst hatten und die Führenden in Rivalität und Hass gegeneinander leb-
ten, noch anhielt, als die Spitze nicht mehr befehlen konnte. Das Buch unterrichtet
nicht politisch und soziologisch durch konstruktives Denken, wohl aber über geistige
Bewegungen und Verwirrungen des Denkens, die unverbindlich und unverantwort-
lich durch Jahre vorbereiteten, was dann in diesen Personen zur Realität wurde, die
eine Lehre für immer sein könnte. Das Buch bringt auch nicht Forschungen? Sein
Vorzug ist das Einprägen der Bilder, die den Leser mit konkreten Vorstellungen erfül-
len. Weil der Verfasser den Blick auf die Persönlichkeiten lenkt, wird man wieder von
der einzigarigen Bedeutung Hitlers überzeugt. Ohne ihn wäre das Ereignis des Natio-
nalsozialismus kaum möglich gewesen. Das haben seinerzeit die Männer gewusst, die
nur in seiner Ermordung eine Chance sahen. Jetzt sieht es jeder. Nun man alle diese
Personen Revue passieren lässt, sieht man bis ins Einzelne der von Tatsachen gesät-
tigten Darstellung, dass all die Jahre hindurch die Personen nur eine Weile wesent-
lich waren, dann in den Hintergrund traten, während allein Hitler jederzeit den Gang
der Dinge in seinem Sinne bestimmte. Das Buch scheint mir gegenüber den Doku-

a Das Buch bringt auch nicht Forschungen, hs. Vdg. für Es bewährt auch nicht durch vorgelegte For-
schungen.
 
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