Karl Jaspers - Piper Verlag (1965)

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Sie schrieben damals, dass in den nächsten Tagen das Buch von Hannah Arendt
herauskommen würde. Ich habe es bisher noch nicht erhalten. Falls Sie mir ein paar
Exemplare schicken würden, ist mir das natürlich sehr erwünscht.x)
Sie fragen freundlich nach meiner Krankheit. Zurzeit geht es mir wieder ausge-
zeichnet. Das Cortison hat die Schmerzen fast zum Verschwinden gebracht und
vor allem ist mein Grundbefinden wieder gut, das durch die fiebrige Zeit doch recht
gestört war. Ich arbeite wieder in alter Frische.
Darf ich noch eine Frage stellen: Vor einiger Zeit bat ich Herrn Dr. Rössner, mir
noch weitere 15 Exemplare meines letzten Buches »Hoffnung und Sorge« zu schik-
ken. Sie sind bisher nicht eingetroffen. Entweder irre ich mich, dass ich darum gebe-
ten habe, oder die Sache ist irgendwo liegengeblieben. Würden Sie die Freundlichkeit
haben, es prüfen zu lassen (zu Anfang habe ich 15 Exemplare erhalten, die sämtlich
verschenkt sind).
Ich freue mich durchweg, und auch meine Frau, dass Sie uns von Ihren Neuer-
scheinungen regelmässig ein Exemplar schicken. Das letzte war das Buch von Dah-
rendorf.1594 Es hat mich als Faktum sehr interessiert. Sachlich bin ich allerdings wenig
zufrieden. Es ist so breit geschrieben. Vielfach so wässerig und auch unbestimmt, dass
ich manchmal ärgerlich wurde. Seine demokratische Grundgesinnung ist in Ord-
nung, aber die internationale, stark von Amerika beeinflusste Redeweise soziologi-
schen Charakters hat - scheint mir - oft wenig belehrende Kraft.
Sehr schön ist die Sammlung von Novellen »Erfundene Wahrheit«; grossartig der
Andersen.1595 Meine Frau ist besonders eifrig bei der Lektüre. Ich richte mich gern nach
dem, worauf sie mich aufmerksam macht.
Mit herzlichen Grüssen
Ihr
Karl Jaspers
Dank für das Buch »Wir lügen alle« von M. Boveri1596 und für die Belege Ihrer Propa-
ganda.
Hannah Arendt's Buch habe ich zwar schon 1963 in der englischen Ausgabe gele-
sen. Heute habe ich es von neuem begonnen: Es ist ein wirklich grossartiges Werk, von
tiefer Einsicht und verhaltener Beschwingtheit für den Adel des Menschen. Sie weiss,
was Freiheit ist. Einer der Richter der obersten Gerichtshöfe in den USA, Douglas, soll
es als »klassisches Buch« bezeichnet haben, wie H. A. mir erzählte.1597 Viele Amerika-
ner sind betroffen, manche erschreckt. Sie rüttelt sie auf. Es ist ihr >Dank an Amerika«.

x) Heute kamen zwei Exemplare! Herzlichen Dank. Sie genügen mir.1598