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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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Karl Jaspers - Piper Verlag (1966)

in Madagaskar erfolgten Aufstandes der Negerbevölkerung dort durch die französi-
schen Staats- und Truppenmacht erforderte etwa 80 000 Opfer. Ich muß gestehen,
daß mir dies völlig neu war, denn ich hatte nur eine vage Erinnerung daran, daß jener
Aufstand stattfand.1623
Vielleicht sollte bei dem Thema »Militärdiktatur«, das ja in Ihrer Schrift eine
bedeutende Rolle spielt (die mögliche drohende Gefahr für die Bundesrepublik),
ohne daß die Gefahr abgeschwächt wird, zur Klarstellung bemerkt werden: als frei-
heitsliebende Republikaner müssen wir Regimes wie die von Franco und Salazar
ablehnen. Allerdings liegt ein grundlegender Unterschied zwischen diesen Regimes
und den kommunistischen Einpartei-Diktaturen vor: Franco und Salazar erheben
keinerlei Herrschaftsanspruch über ihre Landesgrenzen hinaus, weder militärisch
noch ideologisch? Demgegenüber erheben die kommunistischen Regimes nach wie
vor den Anspruch darauf, daß die kommunistische Lebensform die einzige ist, die
den wahren Bedürfnissen des Menschen entspricht. Die Forderung der kommunisti-
schen Herrscher an die Menschheit ist nach wie vor, daß die Menschheit kommuni-
stisch werde.1624 Das Dilemma der Kommunisten ist, daß ihre Herrschaftsform - in der
Sowjetunion ist es deutlich geworden - an der Grenze einer Leistungsfähigkeit ange-
langt ist, die unter der Leistungsfähigkeit der Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme
der freien Staaten liegt. Aus dieser Sackgasse will der Marxistische Revisionismus her-
ausführen (Robert Havemann als Beispiel).1625
Seite 187, zur Stelle über Brenner, den Vorstand der Metallgewerkschaft: Ich habe mir
selbst ein kleines Fragezeichen gemacht, wo es heißt:b »Die Ausschaltung der Angst
zugunsten einer Ruhe, wie Brenner sie meint, steigert die Gedankenlosigkeit und ver-
hindert den Weg der großen, auf den Frieden gerichteten Politik«. Die aufgezeigte
Gefahr scheint mir völlig einleuchtend zu sein. Ich überlege nur, wie Brenners wirkli-
che Motive sind. Ist sein Endziel bloss eine »Ruhe«, ein statischer Zustand, der ihm den
Genuß der Macht des Gewerkschaftsführers garantiert? Oder ist Brenner (ich weiß es
nicht) nicht der Mann, der an einen dynamischen, wenn auch partiell liberalen Sozia-
lismus glaubt, der den Massen eine immer größere Gerechtigkeit verschafft? Könnte
Brenner nicht von seinem Standpunkt antworten, auch er bejahe, daß Macht nur
Legitimität im Dienste der Vernunft habe; sein Dienst an der Vernunft sei seine Arbeit
für den Sozialismus (es sieht doch so aus, als ob die Gewerkschaften über den Weg
eines wesentlich erweiterten Mitbestimmungsrechtes größere Teile der wirtschaftli-
chen Macht an sich ziehen wollen). Meine Frage geht also darauf, ob Ihre Darstellung
von Brenner seine Motive vollständig wiedergibt, soweit sie erkennbar sind.1626

a am Rand hs. Notiz von Jaspers erl.
b am Rand hs. Notiz von Jaspers erl.
 
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