Metadaten

Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

Zitierlink: 
https://digi.hadw-bw.de/view/kjg3_8_2/0616
Lizenz: In Copyright

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Karl Jaspers - Piper Verlag (1966)

515

Zeit auch nicht aktuelle Aufhebung des KPD-Verbots dienen, das allerdings bedeu-
ten würde, daß dann auch eine neue Nazi-Partei, mind. rechtsradikale Partei zugelas-
sen werden müßte! Und der zwittrige Anblick einer neuen KPD, die auf das Grundge-
setz schwören, gleichzeitig aber einen ganz anderen Gesellschaftszustand anstreben
würde, wäre wohl nicht sehr schön; es wäre eine geduldete »Unmoral«. Wenn man die
Rolle der Intellektuellen nochmals bedenkt, so könnte man sagen: Die Spaltung von
Macht und Geist besteht weiterhin fort. Ist da also auch eine alte Schuld des deutschen
Geistes wirksam, weil er in der Tradition des deutschen Idealismus bisher nicht nüch-
tern genug war, nicht real sich den wirklichen politischen Fragen zuwandte?
Ihre neue politische Schrift leistet einen sehr wichtigen Beitrag dazu. Es ist ja auch
so, daß sich auch andere Gelehrte gelegentlich mit den öffentlichen Dingen befassen,
wie gegenwärtig auch wieder C. F. Weizsäcker in der >Zeit<.1647
Auch möchte ich zum Schluß nochmals feststellen, daß die Mentalität der Jugend
zu begründeten Hoffnungen Anlaß gibt. Um es zu wiederholen, - darin, daß das Klima
des fanatisch-sentimentalen (aus der Geschichte begreiflichen) Patriotismus, - der
fanatisch-terroristischen Ideologie fehlt, und darin, daß in der herrschenden Stim-
mung der jungen Leute diese Elemente einfach fehlen und daß sie auch in meiner
Generation heute viel schwächer sind als vor drei bis vier Jahrzehnten, liegt eine ge-
wisse Garantie gegen die Wiederholung von glattem Irrsinn. Aber die Gefahr besteht,
und die große Tugend Ihrer Schrift ist es, daß die Dinge deutlich provozierend beim
Namen genannt sind.
Ich hoffe, Sie entnehmen meinen Bemerkungen die starke Zustimmung; ich hoffe
aber darüberhinaus, daß vor allem Ihre Schrift wirkliche Diskussionen herausfordern
wird. Dazu soll unsere Werbung beim Buchhändler und beim Publikum den denk-
bar-möglichen Beitrag leisten. Ich möchte Ihr Buch den Sortimentern zwei bis drei
Wochen vor der Auslieferung an den Buchhandel durch ein besonderes, persönliches
Rundschreiben anempfehlen.
Unsere Werbeabteilung stellt einen eigenen Anzeigenplan auf, der vorsieht, Ihr
Buch durch Anzeigen einer ganzen Reihe von Blättern propagandistisch möglichst
breit zu »streuen«.
Ich erzählte gestern Abend meiner Mutter, die rege an den politischen Fragen
teilnimmt, von meinem starken Eindruck aus der Lektüre Ihres Manuskripts. Ich
erwähnte Ihre entschiedene Absage an die »Sicherheit« als ein Hauptversprechen der
beiden großen Parteien (nicht nur bei der letzten Bundestagswahl, sondern als gene-
reller Tendenz). Meine Mutter erwiderte, ihr leuchte diese Kritik ein, allerdings sei ihr
das Sicherheitsbedürfnis des Volkes begreiflich nach all den Katastrophen in der Ver-
gangenheit durch eine deutsche Politik, die nicht auf Sicherheit ausging.
Eben hatte ich Besuch, angeregt durch die Bayerische Staatskanzlei, von dem Chef-
redakteur und Präsidenten der brasilianischen Abendzeitung »Ultima Hora«, Profes-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften