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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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Karl Jaspers - Piper Verlag (1966)

sor Danton Jobim.1648 Ich erzählte Herrn Jobim von Ihrer Schrift. Er ist sehr interessiert
und sagte, er wolle, gleich, wenn er den Text bekomme, all sein Deutsch zusammen-
kratzen, um das Wichtigste zu verstehen. Er sei dreimal in Deutschland gewesen, 1945
gleich nach dem Zusammenbruch, 1955 und jetzt. Das außenpolitische Aktionsfeld
Deutschlands sei eng geworden. Er empfinde sehr stark die große Lücke, die klaffe
zwischen der geistigen Welt Deutschlands, die in den Zwanziger Jahren noch gro-
ßen Glanz gehabt habe, und einer fehlenden neuen politischen Führerschicht, diea
Deutschland in die Zukunft führen solle. Wie solle diese neue Schicht zu den Aufga-
ben der politischen Führung erzogen werden?
Ich fragte nach Kuba. Die Antwort war, die relative Stilllegung des Problems
von Kuba und Castro zur Zeit beweise die bestehende faktische Verständigung von
Russland und Amerika in entscheidenden Machtfragen. Auch bestehe, trotz des gan-
zen Geschehens von Vietnam eine beträchtliche Interessenübereinstimmung zwi-
schen den beiden Mächten in Ostasien. (Beides also ganz im Sinne Ihrer Perspekti-
ven).
Mit der nochmaligen Bitte um Nachsicht für diesen sehr langen und, wie mir be-
wußt ist, nicht systematischen Brief.
Mit herzlichen Grüssen
Ihr
Klaus Piper
PS.
Noch eine Bemerkung zu der Stelle über Wehner: Ihr Verdikt, daß Wehner wegen sei-
ner politischen Konversion (vom Kommunismus zum demokratischen Sozialismus)
die politische Glaubwürdigkeit verloren habe, erscheint mir hart zu sein. Muß man
nicht trennen: den Wandel der politischen Überzeugung und die Verurteilung der
faktischen gegenwärtigen Politik von Wehner? Was letztere anbelangt, so scheint sie
mir genau so bedenklich wie Ihnen (das geradezu ängstliche Anhängen an den offizi-
ellen Regierungskurs hat sich gerade in der allerletzten Zeit augenfällig fortgesetzt).1649
Sie tadeln an anderer Stelle mit Recht die Verunglimpfungen, die Willy Brandt erdul-
den mußte.1650 Einem Mann wie Wehner (den ich persönlich nicht kenne) kann man
gewiß nicht leicht »ins Herz« sehen. Man muß sich aber wohl an seine Handlungen
halten, und die sprechen dafür, daß seine Absage an den totalitären Kommunismus
echt ist und die Konversion vom Kommunisten zum (Sozialist oder Liberalist) Demo-
kraten ist ja durch viele bekannte Fälle der letzten Jahrzehnte - von Andre Gide bis
Koestler und Silone1651 - legitimiert (während es ja bemerkenswerterweise vergleich-

a nach die hs. gestr. in überzeugender Weise
 
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