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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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520

Karl Jaspers - Piper Verlag (1966)

Das Buch von Sauvage nannte mir Hannah Arendt, als sie in Basel war. Ich habe
es mir hier gekauft. Zu einer Übersetzung kann ich Ihnen nicht raten. Die Einleitung
enthälta das Wesentliche.1659 Das dicke Buch mit all den Einzelheiten wirkt ermüdend.
Die Sache hat für deutsche Leser auch wohl wenig Interesse.
Ja, die »Geschichte der Freiheit« in den deutschen Gebieten durch ein Jahrtau-
send wäre grossartig. Wer kann das? Nur ein Mann, der historisch geschult ist, Quel-
lenkenntnis besitzt und forschen kann, und der zweitens weiss, »was Freiheit ist«,
und der drittens das gesamte deutsche Gebiet als Ort der deutschen Geschichte
erkennt (nicht bloss das nun doch ephemere Preussen-Deutschland), der Holland und
Schweiz einbezieht. Eine radikale Umwertung unserer Geschichte wäre notwendig.
Bei solcher Umwertung ist die Frage stets: was scheint uns jetzt in der Vergangenheit
wünschenswert, was nicht. Das müsste erörtert werden. Wenn ein preussisch-deut-
sches Reich wünschenswert war, hat Bismarck recht gehabt und Grossartiges gelei-
stet. Wenn nicht, dann war es ein vergebliches und verhängnisvolles Spiel, das dieser
eine unerhört begabte Mann auf Kosten der deutschen Substanz gespielt hat. Ich lese
gerade wieder in Bismarck-Biographien und ihn selber:1660 es ist schaurig-grossartig.
Ich sage, wenn ich deutsch denke, stets nein dazu, - wenn ich ohne deutsches Inter-
esse auf den Mann als solchen blicke, bewundere ich ihn bei ständiger Antipathie: das
hohe Niveau seines Geistes, seine Fähigkeit zu den zartesten Gefühlen, die politische
Sachlichkeit und Nüchternheit. Er ist unser Verhängnis geworden, wie einst auf ganz
andere Weise Luther.1661 Ich kann nur Nein sagen zu beiden. Das Grosse hat zwei Sei-
ten. Man muss wissen, wo man sich zu Hause fühlt und wo man abstösst. Das Abzu-
stossende aber muss man kennen und studieren.
Ich weiss niemanden, der jene Geschichte der deutschen Freiheit schreiben
könnte. Zu wenig kenne ich. Nur wenig habe ich zufällig gelesen: Bracher (ich glaube,
sein Fach [ist] politische Wissenschaft), von der Gablentz (Berliner Universität).1662
Aber diese sind keine eigentlich historischen Forscher.
Noch eine Kleinigkeit: Hannover ist der Name eines Rechtsanwalts,1663 nicht der
Name der Stadt.
Haben Sie zum Schluss noch einmal meinen grossen Dank!
Herzliche Grüsse
Ihr Karl Jaspers

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