Karl Jaspers - Piper Verlag (1967)
555
Wir müssen auch an den Fall Szczesny in München denken. (Er musste wegen einer
Kolakowski-Sendung ausscheiden.)1780 Der »gesellschaftliche«a Druck von Seiten der
Programmbeiräte und Verwaltungsräte der Funkanstalten (in denen die Parteien, die
Gewerkschaften, Kirchen usw. vertreten sind) ist doch immer wieder stark. Im Augen-
blick ist die relative Meinungsäußerungsfreiheit im ganzen Funkbereich existent, aber
sie ist auch gefährdet. Wären Sie mit der Formulierung einverstanden: »Offenbar,
wenn auch nicht ungefährdet, ist die Freiheit innerhalb des Fernsehens [«].1781
Seite 108, Mitte
Sie loben hier stark die Politiker der Landesregierungen im Gegensatz zum »Typus der
Bonner Regierung«. Ich weiß nicht, ob man den Unterschied so scharf ziehen kann.
Die Landesregierungen haben es eben einfacher, da sie konkrete, übersehbare, prakti-
sche Aufgaben vor sich haben. Aber ich kann z.B. in unserem bayerischen Kultusmini-
ster Huber keinen grundsätzlich anderen »Typ« sehen als in vielen Bonner Politikern.
Und dann noch eine sehr wichtige Sache: Der neue Bundeskanzler Kiesinger hat sich
(ganz gleich, wie man sonst über ihn denken mag), - wie man hört, als Ministerpräsi-
dent des Landes Württemberg-Baden jahrelang bewährt.
Ich glaube, an dieser Stelle müßte von Ihnen noch eine Erklärung kommen, da hier
jeder aufmerksame Leser an Kiesinger denken wird. (Könnte man sagen, daß das vor-
handene Format der deutschen Politiker für die Länder ausreicht, aber nicht für die
große Politik?)
Ähnliches würde für die Oberbürgermeister gelten, die ja in Deutschland oft ein
vorzüglicher Typus sind, - mit Energie, Sachverständnis und Durchschlagskraft -
offenbar vielfach stärkere Persönlichkeiten schon in der Weimarer Republik als die
Mitglieder der Reichsregierung damals.1782
Heute Nachmittag und Abend lese ich zu Ende. Inzwischen mit herzlichen Grüssen
Ihr Klaus Piper
Ich schicke - entschuldigen Sie bitte - den Brief mit den Korrekturen ab.
Ihr Kl. P.
a »gesellschaftliche« hs. Vdg. für wirtschaftliche
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Wir müssen auch an den Fall Szczesny in München denken. (Er musste wegen einer
Kolakowski-Sendung ausscheiden.)1780 Der »gesellschaftliche«a Druck von Seiten der
Programmbeiräte und Verwaltungsräte der Funkanstalten (in denen die Parteien, die
Gewerkschaften, Kirchen usw. vertreten sind) ist doch immer wieder stark. Im Augen-
blick ist die relative Meinungsäußerungsfreiheit im ganzen Funkbereich existent, aber
sie ist auch gefährdet. Wären Sie mit der Formulierung einverstanden: »Offenbar,
wenn auch nicht ungefährdet, ist die Freiheit innerhalb des Fernsehens [«].1781
Seite 108, Mitte
Sie loben hier stark die Politiker der Landesregierungen im Gegensatz zum »Typus der
Bonner Regierung«. Ich weiß nicht, ob man den Unterschied so scharf ziehen kann.
Die Landesregierungen haben es eben einfacher, da sie konkrete, übersehbare, prakti-
sche Aufgaben vor sich haben. Aber ich kann z.B. in unserem bayerischen Kultusmini-
ster Huber keinen grundsätzlich anderen »Typ« sehen als in vielen Bonner Politikern.
Und dann noch eine sehr wichtige Sache: Der neue Bundeskanzler Kiesinger hat sich
(ganz gleich, wie man sonst über ihn denken mag), - wie man hört, als Ministerpräsi-
dent des Landes Württemberg-Baden jahrelang bewährt.
Ich glaube, an dieser Stelle müßte von Ihnen noch eine Erklärung kommen, da hier
jeder aufmerksame Leser an Kiesinger denken wird. (Könnte man sagen, daß das vor-
handene Format der deutschen Politiker für die Länder ausreicht, aber nicht für die
große Politik?)
Ähnliches würde für die Oberbürgermeister gelten, die ja in Deutschland oft ein
vorzüglicher Typus sind, - mit Energie, Sachverständnis und Durchschlagskraft -
offenbar vielfach stärkere Persönlichkeiten schon in der Weimarer Republik als die
Mitglieder der Reichsregierung damals.1782
Heute Nachmittag und Abend lese ich zu Ende. Inzwischen mit herzlichen Grüssen
Ihr Klaus Piper
Ich schicke - entschuldigen Sie bitte - den Brief mit den Korrekturen ab.
Ihr Kl. P.
a »gesellschaftliche« hs. Vdg. für wirtschaftliche