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Jaspers, Karl; Piper, Klaus; Fonfara, Dirk [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 3, Band 8,2): Ausgewählte Korrespondenzen mit dem Piper Verlag und Klaus Piper 1942-1968 — Basel: Schwabe Verlag, 2020

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576

Karl Jaspers - Piper Verlag (1967)

würde sonst, wie ich fürchte, unvermeidlicherweise ein schiefer Eindruck entstehen.
Der Leser würde unnötig nach bei Ihnen gar nicht vorhandenen Motiven forschen,
warum einzig und allein der SPIEGEL genannt wird. (Natürlich passieren auch in der
ZEIT Fehlurteile, Dinge, über die man sich ärgern kann. Aber das gehört ja zur freien
Meinungsäußerung in einer Demokratie, - einer Meinungsäußerung, die in der Bun-
desrepublik in beträchtlichem Umfang und an vielen Orten gottlob frei stattfindet.)
Seite 145:
Auch hier muß ich Ihnen gestehen, daß ich den ersten Absatz, der beginnt mit:
»Es ist keine Alternative ...«
bei ruhiger Prüfung mit großem Bedenken nochmals gelesen habe. Dabei gehe ich
immer von dem Bemühen aus, die Dinge zutreffend, wie sie sind, zu sehen. Ich wäre
glücklich, wenn Sie diesen Absatz selbst noch einmal kritisch überdenken würden.
Darf ich im Einzelnen begründen: Sie schreiben
»Wenn aber, ohne Fühlung mit dem Volk, kleine Cliquen von Parteipoliti-
kern, die nichts verbindet, als daß sie alle an der Macht teilhaben wollen,
durch Manipulationen ..., so ist der Zustand erreicht, daß eine Regierung mit
dem absoluten Mißtrauen gegen sie beginnt. Die Demokratie dieser Art hat
ihre eigene Freiheit vernichtet. Eine Tyrannei des Wirrwarrs ohne Opposition
beginnt.«
Ich glaube, die durch Unterstreichung deutlich gemachten Aussagen entsprechen
nicht der Realität. Es trifft kaum zu, daß die Parteipolitiker außer der Macht »nichts
verbindet«. In Wirklichkeit sind es doch sowohl bei der CDU wie bei der SPD lands-
mannschaftliche und überzeugungsmässige, auch soziale Übereinstimmungen, die
innere Verbindungen in den führenden Gruppen darstellen.
Ich glaube wirklich, das »nichts als die Macht« entspricht nicht der Realität. Es ist
zu indifferenziert.1895
Ferner: Die Regierung ist doch faktisch nicht auf ein »absolutes Mißtrauen« gesto-
ßen, weder in Deutschland selbst noch im Ausland. Eigentlich gilt das Gegenteil!
Selbstverständlich könnten Sie sagen, daß Sie selbst der Regierung vollständig miß-
trauen (ohne ihr irgendeine Chance einzuräumen).
Weiterhin: Daß die
»Demokratie ihre eigene Freiheit« inzwischen schon vernichtet »hat«, kann
man noch nicht sagen.a
Ich schreibe diesen Brief als deutscher Verleger in völliger Freiheit und werde Ihr Buch
in Freiheit drucken und dafür eintreten. Also ist doch die Freiheit nicht schon zerstört.

a Hs. Notiz von Jaspers am Rand politische Freiheit!
 
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